Unsere Wertschätzung des Opfers Christi
Beim Durchsehen einer Liste der 100 besten Romane, die seit dem Jahr 1900 geschrieben wurden, fielen mir zwei Einträge zum Autor Vladimir Nabokov auf. Da mir der Name nicht bekannt war, gab ich ihn in die Google-Suche ein und fand heraus, dass er nicht nur ein berühmter Romanschreiber war, sondern auch bekannt dafür ist, den Begriff „Donut-Wahrheit“ geprägt zu haben, um die Wahrheiten zu kennzeichnen, die nicht die ganze Wahrheit enthalten. Mir ist aufgefallen, dass einige der aktuellen Erklärungen zum Opfer Christi zu diesen Donut-Wahrheiten gehören. Bitte lassen Sie mich das erklären:
Es gibt erhebliche Probleme mit dieser Lehre (Modell) vom Sühneopfer. Eines davon ist, dass die Bibel nicht nur ein, sondern mehrere Erklärungen verwendet, um den Reichtum des Sühnewerks Christi für uns zu beschreiben, darunter das Opfermodell, das ökonomische Modell des Tauschs (Erlösung), das familiäre oder kindliche Modell der Familie (Versöhnung), das eheliche Modell (Treue) und das Heilungsmodell (Frieden, Schalom). Wie Gustaf Aulen in Christus Victor, An Historical Study of the Three Main Types of the Idea of Atonement (Christus Victor, Eine historische Studie über die drei Haupttypen des Sühnegedankens) aufzeigt, präsentiert die Bibel auch ein Christus-der-Sieger-Modell (Christus Victor) des Sühnegedankens, das von den frühen Kirchenvätern primär gelehrt wurde. Nach diesem Modell ist „das Werk Christi in erster Linie ein Sieg über die Mächte, die den Menschen in Knechtschaft halten: Sünde, Tod und Teufel“ (Christus Victor, S. 20). Anstatt ans Kreuz zu gehen, um Gottes Zorn zu besänftigen, tat Christus dies, um den Sieg über die Knechtschaft der Sünde, die Bedrohung durch den Tod und die Macht des Teufels zu erringen und sich damit alles untertan zu machen. So wie Gott Israel aus der Knechtschaft der Unterdrückung in die Freiheit geführt hat, so befreit Gott uns von diesen schrecklichen Formen der Unterdrückung in die wahre Freiheit in Christus.
Einige Theologen wie Gregory Boyd und Scot McKnight lehren, dass das Christus-der-Sieger-Modell als das zentrale biblische Sühnemodell angesehen werden sollte und das forensische Modell nur als eines unter anderen. Einige Theologen, die die Stellung des forensischen Modells befürworten, äußern sich warnend zu diesem Ansatz. J.I. Packer warnt, dass es sich nicht allein auf menschliche Gerechtigkeitsmodelle stützen sollte (die oft vergeltend oder reziprok sind) und nicht als automatische Erklärung dafür verstanden werden sollte, wie die Strafsubstitution wirklich funktioniert. John Stott listet in The Cross of Christ (Das Kreuz Christi) mehrere Warnungen vor einer falschen Darstellung der Natur des Sühneopfers auf.
Es ist sicherlich wahr, dass Christi Tod den Preis, die Kosten, die Schuld und sogar die Strafe für unsere Sünde bezahlt hat. Jesus hat uns vor den Folgen unserer Sünde gerettet und hat selbst diese Folgen erfahren, um sie zu überwinden und sie für uns zu verwandeln. Aber das Modell der stellvertretenden Versöhnung kann zu weit getrieben werden. Hier sind einige der üblichen Ansichten:
Eine treue und genaue Betrachtung des Sühnewerkes Christi wird die gesamte biblische Geschichte und Lehre berücksichtigen. Wenn ein Aspekt dieser Wahrheit herausgegriffen und isoliert entwickelt wird, führt das unweigerlich zu einer Verzerrung. Aber wenn wir alle Teile zusammenfügen, ihnen allen volles Gewicht geben und dabei Jesus im Zentrum behalten, sind wir auf dem richtigen Weg. Dieser ganzheitliche Ansatz behält die Beziehung Christi zum Vater und zum Heiligen Geist und seine Beziehung zu uns und den Grund, warum er gekommen ist, klar im Blick.
Das ist es, was der Apostel Paulus tat, als er schrieb, dass Gott seine Liebe in Jesus Christus verschwenderisch über uns ausgegossen hat, um die Sünde in seinem Fleisch zu verurteilen, damit wir sein neues Leben und seine Liebe durch den Heiligen Geist in uns haben (Eph 1,7-8; Röm 8,3-4). Der Autor des Hebräerbriefs fügt hinzu, dass Jesus Christus den Preis bezahlt hat, um diese Versöhnung frei und gerne herbeizuführen, vereint in Herz, Verstand und Willen mit dem Vater und dem Heiligen Geist (Hebr 12,2; 9,14). Die Bibel lehrt, dass das Sühnewerk Jesu ein Akt der ewigen, göttlichen Liebe des Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes war.
Wir verstehen Gott und seine überschwängliche Liebe zu uns durch das Leben Jesu und besonders durch seinen aufopfernden Tod. Wie T.F. Torrance in The Mediation of Christ (Das Vermittleramt Christi] feststellt, „ist das Kreuz ein Fenster, das sich in das Herz Gottes öffnet“. Das Kreuz offenbart einen Gott, der die Welt leidenschaftlich liebt, nicht einen, der wütend auf sie ist. In der Tat hat Gott die Welt so sehr geliebt, dass er seinen Sohn gab.
Gott hasst die Sünde, aber er hasst sie, weil sie der Welt, die er liebt, schadet; sie schadet seiner geliebten Schöpfung. Gott gießt seinen Zorn nicht über das Objekt seiner Liebe aus – weder über Jesus noch über eines seiner anderen Kinder. Jesus ging nicht ans Kreuz, um einen zornigen Gott zu besänftigen, sondern um deutlich die bedingungslose Liebe eines Vaters, Sohnes und Heiligen Geistes zu zeigen, dessen größter Wunsch es ist, mit uns in Beziehung zu sein. Und das ist keine Donut-Wahrheit – es ist die ganze Wahrheit des Evangeliums! ❏
Stellungnahme zur Strafsubstitution von Santiago Lange. Diesen Artikel finden Sie im Titelverzeichnis unter dem Menü Artikel auf unserer Webseite.