Von Dr. Michael Morrison
Das Christentum hat traditionell gelehrt, dass der Heilige Geist die dritte Person oder Hypostase der Gottheit ist. Einige haben jedoch gelehrt, dass der Heilige Geist eine unpersönliche, von Gott benutzte Kraft ist.
Ist der Heilige Geist Gott oder ist er einfach eine Kraft Gottes?
Untersuchen wir die biblischen Lehren.
I Die Göttlichkeit des Heiligen Geistes
Einleitung: Die Heilige Schrift spricht wiederholt vom Heiligen Geist, bekannt als der Geist Gottes und der Geist Jesu Christi. Die Schrift weist darauf hin, dass der Heilige Geist mit dem Vater und dem Sohn wesensgleich ist. Dem Heiligen Geist werden die Eigenschaften Gottes zugeschrieben, er wird mit Gott gleichgestellt und tut ein Werk, das nur Gott tun kann.
A. Eigenschaften Gottes
1. Heiligkeit: An mehr als 90 Stellen nennt die Bibel den Geist Gottes den „Heiligen Geist“. Heiligkeit ist eine wesentliche Eigenschaft des Geistes. Der Geist ist so heilig, dass Lästerung gegen den Heiligen Geist nicht vergeben werden kann, obwohl Lästerung gegen Jesus vergeben werden kann (Mt 11,32). Den Geist schmähen ist genauso sündig, wie den Sohn Gottes mit Füßen zu treten (Heb 10,29). Dies weist darauf hin, dass der Geist inhärent heilig ist, heilig im Wesen, statt einer zugewiesenen oder sekundären Heiligkeit, wie sie der Tempel hatte. Der Geist hat auch die unendlichen Eigenschaften Gottes: Unbegrenzt in Zeit, Raum, Kraft und Wissen.
2. Ewigkeit: Der Heilige Geist, der Tröster (Beistand), wird in Ewigkeit bei uns sein (Joh 14,16). Der Geist ist ewig (Heb 9,14).
3. Allgegenwart: David, der Gottes Größe pries, stellte die Frage: „Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht? Führe ich gen Himmel, so bist du da“ (Ps 139,7-8). Gottes Geist, den David als Synonym für Gottes eigene Gegenwart benutzt, ist im Himmel und bei den Toten (im Sheol, V. 8), im Osten und im Westen (V. 9).
Von Gottes Geist kann gesagt werden, dass er auf jemand ausgegossen wird, dass er eine Person erfüllt, oder dass er herabkommt – aber ohne darauf hinzudeuten, dass der Geist sich vom Ort entfernte oder einen anderen Ort aufgab. Thomas Oden stellt fest, dass „solche Aussagen auf der Prämisse der Allgegenwart und Ewigkeit“ basieren, „Eigenschaften die korrekterweise nur Gott zugeschrieben werden“.
4. Allmacht: Die Werke, die Gott tut, wie z. B. die Schöpfung, werden auch dem Heiligen zugeschrieben (Hi 33,4; Ps 104,30). Die Wunder Jesu Christi wurden durch „den Geist“ vollbracht (Mt 12,28). Im missionarischen Dienst des Paulus wurde das Werk, das „Christus wirkte, durch die Kraft des Geistes Gottes“ vollbracht.
5. Allwissenheit: „Der Geist erforscht alle Dinge, auch die Tiefen der Gottheit“, schrieb Paulus (1Kor 2,10). Der Geist Gottes „weiß die Dinge Gottes“ (V. 11). Der Geist weiß daher alle Dinge und ist in der Lage, alle Dinge zu lehren (Joh 14,26).
Heiligkeit, Ewigkeit, Allgegenwart, Allmacht und Allwissenheit sind Eigenschaften von Gottes Wesen, das heißt, sie sind charakteristisch für das Wesen göttlicher Existenz. Der Heilige Geist besitzt diese wesentlichen Eigenschaften Gottes.
B. Gott gleichgestellt
1. „Dreieinige“ Formulierungen: Mehr Schriftstellen beschreiben den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist als Gleichgestellte. In einer Diskussion über geistliche Gaben, beschreibt Paulus den Geist, den Herrn und Gott mit grammatikalisch parallelen Aussagen (1Kor 12,4-6). Paulus beendet einen Brief mit einem dreiteiligen Gebet: „Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen“ (2 Kor 13,14). Paulus beginnt einen Brief mit folgender dreiteiligen Formulierung: „… die Gott, der Vater ausersehen hat durch die Heiligung des Geistes zum Gehorsam und zur Besprengung mit dem Blut Jesu Christi“ (1Pt 1,2).
Natürlich beweisen diese dreieinigen Formulierungen, die in diesen oder anderen Schriftstellen benutzt werden, nicht die Gleichheit, aber sie deuten darauf hin. Die Taufformel deutet sogar noch in stärkerer Weise auf die Einheit hin: „… taufet sie auf den Namen (Einzahl) des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes“ (Mt 28,19). Der Vater, der Sohn und der Geist tragen einen gemeinsamen Namen, was auf gemeinsames Wesen und Gleichheit hindeutet. Dieser Vers verweist auf beides, Pluralität und Einheit. Drei Namen werden genannt, aber alle drei tragen gemeinsam einen Namen.
2. Verbaler Austausch: In Apostelgeschichte 5,3 lesen wir, dass Hananias den Heiligen Geist belog. Vers 4 sagt, er habe Gott belogen. Dies weist darauf hin, dass „der Heilige Geist“ und „Gott“ austauschbar sind und dass daher der Heilige Geist Gott ist. Einige Leute versuchen dies weg zu erklären, indem sie sagen, dass Hananias nur indirekt Gott belog, weil der Heilige Geist Gott repräsentierte. Diese Auslegung mag grammatikalisch möglich sein, aber sie würde auf die Persönlichkeit des Heiligen Geistes hinweisen, denn man lügt nicht eine unpersönliche Kraft an. Darüber hinaus sagte Petrus dem Hananias, dass er nicht Menschen, sondern Gott belogen hatte. Die Kraft dieser Schriftstelle liegt darin, dass Hananias nicht einfach Gottes Repräsentanten, sondern Gott selber belogen hat – und der Heilige Geist, den Hananias belog, ist Gott.
Einen weiteren Wortaustausch findet man in 1. Korinther 3,16 und 6,19. Christen sind nicht nur der Tempel Gottes, sondern sie sind auch Tempel des Heiligen Geistes; die zwei Ausdrücke bedeuten dasselbe. Ein Tempel ist natürlich eine Wohnstätte für eine Gottheit, nicht eine Wohnstätte für eine unpersönliche Kraft. Wenn Paulus schreibt „Tempel des Heiligen Geistes“, dann deutet er darauf hin, dass der Heilige Geist Gott ist.
Ein weiteres Beispiel von verbaler Gleichstellung zwischen Gott und dem Heiligen Geist finden wir in Apostelgeschichte 13,2: „… sprach der Heilige Geist: Sondert mir Barnabas und Saulus zu dem Werk aus, zu dem , ich sie berufen habe.“ Hier spricht der Heilige Geist für Gott, als Gott. In gleicher Weise lesen wir in Hebräer 3,7-11, dass der Heilige Geist sagt, dass die Israeliten „ mich versuchten und prüften“; der Heilige Geist sagt: „… ich wurde zornig … sie sollen nicht zu meiner Ruhe eingehen.“ Der Heilige Geist wird mit dem Gott Israels gleichgestellt. Hebräer 10,15-17 stellt den Geist mit dem Herrn gleich, der den Neuen Bund macht. Der Geist, der die Propheten inspirierte, ist Gott. Dies ist das Werk des Heiligen Geistes, was uns zu unserem nächsten Abschnitt bringt.
C. Göttliches Wirken
1. Erschaffen: Der Heilige Geist tut ein Werk, das nur Gott tun kann, wie beispielsweise erschaffen (1Mo 1,2; Hi 33,4; Ps 104,30) und Dämonen austreiben (Mt 12,28).
2. Zeugen: Der Geist zeugte den Sohn Gottes (Mt 1,20; Lk 1,35) und die volle Göttlichkeit des Sohnes weist auf die volle Göttlichkeit des Zeugenden hin.
Der Geist zeugt auch Gläubige – sie sind von Gott geboren (Joh 1,13) und gleichermaßen auch vom Geist geboren (Joh 3,5). „Der Geist ist’s, der (ewiges) Leben schenkt“ (Joh 6,63). Der Geist ist die Kraft, durch die wir auferweckt werden (Röm 8,11).
3. Innewohnen: Der Heilige Geist ist das Mittel, durch den Gott in seinen Kindern wohnt (Eph 2,22; 1Joh 3,24; 4,13). Der Heilige Geist „lebt“ in uns (Röm 8,11; 1Kor 3,16) – und weil der Geist in uns wohnt, können wir sagen, dass Gott in uns lebt. Wir können nur deswegen sagen, dass Gott in uns lebt, weil der Heilige Geist auf eine bestimmte Weise in uns lebt. Der Geist ist kein Repräsentant oder eine Kraft, die in uns wohnt – Gott selbst wohnt in uns.
Geoffrey Bromiley trifft eine exakte Schlussfolgerung, wenn er sagt: „Es mit dem Heiligen Geist zu tun zu haben, nicht weniger als mit dem Vater und dem Sohn, bedeutet, es mit Gott zu tun zu haben.“
4. Heiligen: Der Heilige Geist macht Menschen heilig (Röm 15,16; 1Pt 1,2). Der Geist befähigt Menschen, in das Reich Gottes zu kommen (Joh 3,5). Wir werden „in der Heiligung durch den Geist gerettet“ (2Th 2,13).
In all diesen Dingen sind die Werke des Geistes die Werke Gottes. Was immer der Geist sagt oder tut, Gott sagt und tut es; der Geist ist für Gott völlig repräsentativ.
II Die Persönlichkeit des Heiligen Geistes
Einleitung: Die Heilige Schrift beschreibt den Heiligen Geist als Inhaber von persönlichen Eigenschaften: Der Geist hat Verstand und Willen, er spricht und man kann zu ihm sprechen, er handelt und tritt für uns ein. Dies alles verweist im theologischen Sinne auf Persönlichkeit. Der Heilige Geist ist eine Person oder Hypostase in demselben Sinn wie es der Vater und der Sohn sind. Unsere Beziehung zu Gott, die durch den Heiligen Geist bewirkt wird, ist eine persönliche Beziehung.
A. Leben und Intelligenz
Leben: Der Heilige Geist „lebt“ (Röm 8,11; 1Kor 3,16).
1. Intelligenz: Der Geist „weiß“ (1Kor 2,11). Römer 8,27 verweist auf den „Sinn des Geistes“.
Dieser Geist ist in der Lage, Urteile zu fällen – eine Entscheidung „gefiel“ dem Heiligen Geist (Apg 15,28). Diese Verse deuten auf eine klar erkennbare Intelligenz hin.
3. Wille: 1. Korinther 2,11 sagt, dass der Geist Entscheidungen trifft, was zeigt, dass der Geist einen Willen hat. Das griechische Wort bedeutet „er oder es wirkt … teilt zu“. Obwohl das griechische Wort den Satzgegenstand des Verbs nicht spezifiziert, ist das Subjekt im Kontext sehr wahrscheinlich der Heilige Geist. Da wir von anderen Versen wissen, dass der Geist Verstand, Wissen und Urteilskraft hat, gibt es keinen Grund, sich der Schlussfolgerung in 1. Korinther 12,11 zu widersetzen, dass der Geist auch einen Willen hat.
B. Kommunikation
1. Sprechen: Zahlreiche Verse zeigen, dass der Heilige Geist sprach (Apg 8,29; 10,19; 11,12; 21,11; 1Tim 4,1; Heb 3,7, usw.) Der christliche Autor Oden beobachtet, dass „der Geist in der ersten Person, als ‚Ich’ spricht: ‚denn ich habe sie gesandt’ (Apg 10,20) … ‚ich habe sie berufen’ (Apg 13,2). Nur eine Person kann sagen ‚Ich’“.
2. Wechselwirkung: Der Geist kann belogen werden (Apg 5,3), was daraufhin weist, dass man zum Geist sprechen kann. Der Geist kann geprüft (Apg 5,9), geschmäht (Heb 10,29) oder gelästert werden (Mt 12,31), was auf Persönlichkeitsstatus schließen lässt. Oden sammelt weitere Beweise: „Das apostolische Zeugnis verwendet äußerst persönliche Analogien: leiten (Röm 8,14), überführen („die Augen auftun“ – Joh 16,8), vertreten/fürsprechen (Röm 8,26), aussondern/berufen (Apg 13,2) einsetzen (Apg 20,28) … nur eine Person kann betrübt werden (Jes 63,10; Eph 4,30).
3. Der Paraklet: Jesus nannte den Heiligen Geist den Parakletos – den Tröster, Anwalt oder Beistand. Der Paraklet ist aktiv, er lehrt (Joh 14,26), er gibt Zeugnis (Joh 15,26), er überführt (Joh 16,8), er leitet (Joh 16,13) und offenbart Wahrheit (Joh 16,14).
Jesus benutzte die männliche Form von parakletos; er erachtete es nicht für notwendig, das Wort sächlich zu machen oder ein sächliches Fürwort zu benutzen. In Johannes 16,14 werden männliche Fürwörter benutzt, sogar wenn das Neutrum pneuma erwähnt wird. Es wäre einfach gewesen, auf sächliche Fürwörter überzugehen, aber Johannes tat es nicht. An anderen Stellen werden, im Einklang mit grammatikalischen Bräuchen, sächliche Fürwörter für den Geist verwendet. Die Heilige Schrift ist in Bezug auf das grammatikalische Geschlecht des Geistes nicht haarspalterisch – und wir sollten es auch nicht sein.
C. Aktion
1. Neues Leben: Der Heilige Geist macht uns neu, er gibt uns neues Leben (Joh 3,5). Der Geist heiligt uns (1Pt 1,2) und führt uns in dieses neue Leben (Röm 8,14). Der Geist gibt verschiedene Gaben, um die Kirche aufzubauen (1Kor 12,7-11) und überall in der Apostelgeschichte sehen wir, dass der Geist die Kirche leitet.
2. Fürsprache: Die „persönlichste“ Aktivität des Heiligen Geistes ist die Fürsprache: „… Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt, sondern der Geist vertritt uns … denn er vertritt die Heiligen, wie es Gott gefällt“ (Röm 8,26-27). Fürsprache deutet nicht nur darauf hin, dass man Kommunikation empfängt, sondern auch, dass man Kommunikation weitergibt. Sie deutet hin auf Intelligenz, Anteilnahme und eine formelle Rolle. Der Heilige Geist ist keine unpersönliche Kraft, sondern ein intelligenter und göttlicher Helfer, der in uns lebt. Gott lebt in uns und der Heilige Geist ist Gott.
III Anbetung
A. Anbetung
Es gibt keine Beispiele über die Anbetung des Heiligen Geistes in der Bibel. Die Schrift spricht über Gebet im Geist (Eph 6,18), Gemeinschaft des Geistes (2Kor 13,14) und Taufe im Namen des Geistes (Mt 28,19). Obwohl Taufe, Gebet und Gemeinschaft Teil des Gottesdienstes sind, ist keiner dieser Verse ein gültiger Beweistext für die Anbetung des Geistes.
Wir bemerken jedoch – als ein Kontrast zur Anbetung -, dass der Geist gelästert werden kann (Mt 12,31).
B. Gebet
Es gibt keine biblischen Beispiele, zum Heiligen Geist zu beten. Die Bibel deutet jedoch darauf hin, dass ein Mensch zum Heiligen Geist sprechen kann (Apg 5,3). Wenn dies in Ehrfurcht oder als Bitte geschieht, ist es in Wirklichkeit ein Gebet zum Heiligen Geist. Wenn Christen nicht in der Lage sind, ihre Wünsche zu artikulieren und sie möchten, dass der Heilige Geist für sie eintritt (Röm 8,26-27), dann beten sie, direkt oder indirekt, zum Heiligen Geist. Wenn wir verstehen, dass der Heilige Geist Intelligenz besitzt und Gott vollständig repräsentiert, können wir den Geist um Hilfe bitten – niemals mit den Gedanken, dass der Geist ein von Gott getrenntes Wesen ist, sondern in dem wir anerkennen, dass der Geist die Hypostase Gottes ist, die für uns eintritt.
Warum sagt die Heilige Schrift nichts über das Gebet zum Heiligen Geist? Michael Green erklärt dazu: „Der Heilige Geist lenkt die Aufmerksamkeit nicht auf sich selbst. Er wurde vom Vater gesandt, um Jesus zu verherrlichen, um die Attraktivität Jesu zu zeigen und nicht selber das Zentrum der Bühne zu sein.“ Oder, wie Bromiley es ausdrückt: „Der Geist hält sich selber zurück“.
Spezifisch an den Heiligen Geist gerichtetes Gebet oder Anbetung ist in der Heiligen Schrift nicht die Norm, aber wir beten den Geist trotzdem an. Wenn wir Gott anbeten, beten wir alle Aspekte Gottes an, einschließlich dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Ein Theologe des 4. Jahrhunderts hat es so erklärt: „Der Geist wird gemeinsam in Gott angebetet, wenn Gott im Geist angebetet wird.“ Was immer wir zum Geist sagen, sagen wir zu Gott und was immer wie zu Gott sagen, sagen wir zum Geist. ❏