Verteidigung der Dreieinigkeit
Eines der ersten Signale, das uns auf die Bedeutung der historischen Dreieinigkeitslehre (Trinität) aufmerksam macht, ist der ewige Rauch der Kontroverse, der sie in der gesamten Kirchengeschichte umgibt. Antitrinitarismus ist ein altes Krebsgeschwür, das in den vergangenen zwei Jahrtausenden in vielfältiger Form immer wieder aufgebrochen ist.
Ein anscheinend endloser Bedarf nach zwingender und stichhaltiger Verteidigung der biblischen Dreieinigkeitslehre gab Kirchenvätern immer wieder Anlass zu glanzvollen apologetischen Schriften, die zu den Höhepunkten der theologischen Literatur zählen. Tertullians Adversus Praxean (2. Jahrhundert), Gregor von Nyssas Quod non sint tres dei (4. Jahrhundert) und Augustinus’ De Trinitate (frühes 5. Jahrhundert) sind nur drei Beispiele von vielen.
Ferner stand die Dreieinigkeit im Mittelpunkt mehrerer früher Konzile, so des Konzils von Nicäa (325) und des Konzils von Konstantinopel (382), auf denen die häretischen, antitrinitarischen Lehren des Arius und seiner Anhänger entschieden zurückgewiesen wurden.
Dennoch kam es immer wieder zu neuen Wellen des Antitrinitarismus, im Mittelalter zum Beispiel bei den Nominalisten des Peter Abaelardus, in der Reformation bei Fausto Sozzini und den Sozinianern, dann während der Aufklärung in antitrinitarischen Gemeinden, die in ganz Europa entstanden und vielfach nach Amerika auswanderten und das dortige religiöse Leben stark beeinflussten.[1]
Ein steter Strom heftigen Antitrinitarismus lässt sich, ausgehend vom ersten Jahrhundert, bis in die jüngste Zeit verfolgen, wo er sich z. B. in Gruppen wie den Unitariern, den Mormonen, den Christlichen Wissenschaftlern, den Theosophen und den Zeugen Jehovas manifestiert.
Regelmäßig zählt die Dreieinigkeitsdoktrin zu den ersten Lehren, die von Gegnern des historischen christlichen Glaubens unter Beschuss genommen wird. Sektierer und Fanatiker jeder Couleur eifern gegen diese Lehre mit einer Giftigkeit, wie sie bei theologischen Auseinandersetzungen sonst eher unüblich ist. Missionare der Mormonen, der Zeugen Jehovas und des Islam beispielsweise erhalten Spezialausbildungen zum „Widerlegen“ der Trinität.
Woher kommt das? Wieso zieht gerade diese Lehre so viel Feindschaft auf sich, diese Doktrin, die manche lediglich als „akademisch“, „verstiegen“, „zu spekulativ“, „widersprüchlich“, „verwirrend“ abtun? Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Ist die christliche Dreieinigkeitslehre unwahr, dann ist Jesus Christus nicht der gewesen, als der er sich dargestellt hat: Gottsohn und Erlöser.
Ist die Dreieinigkeit aber wahr, dann kommen wir mit zwingender Logik zu dem Schluss, dass Jesus Christus in der Tat das logos sarx war und ist, das Wort, das Fleisch geworden ist und unter uns gewohnt hat (Joh 1,14).
Feinde der heiligen Dreieinigkeit wissen: Lässt sich die Trinitätslehre in ihrem Kern niederreißen, dann war Jesus ausschließlich Mensch, bestenfalls vielleicht ein Prophet, aber gewiss nicht der Theantropos, der Gott-Mensch – ganz Mensch und zugleich ganz Gott (Phil 2,5-7), der er gemäß Bibel und nach den historischen christlichen Glaubensbekenntnissen war. Und war Christus das nicht, dann konnte er auch unsere Sünden nicht sühnen durch seinen Tod am Kreuz und seine siegreiche Auferstehung drei Tage später. „Ist Christus ... nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden“, sagt Paulus in unüberbietbarer Schärfe (1. Kor 15,17).
Anders als von Skeptikern und Trinitätsgegnern behauptet, verstößt die Dreieinigkeit nicht gegen die Logik, sondern liegt jenseits der Logik. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Sie ist ein Geheimnis, kein Widerspruch.
Genau formuliert, besagt die Dreieinigkeitslehre, dass Gott „von der Natur (dem Wesen) her eins, von der Person her drei“ ist. Behauptete die Doktrin hingegen, Gott sei „von der Natur her eins und von der Natur her drei“, dann hätten wir tatsächlich einen unversöhnlichen, gegen die Logik verstoßenden Widerspruch. Denn ein Gott, der zur selben Zeit und im selben Sinn eins und drei zugleich wäre, verstieße gegen das „Prinzip vom verbotenen Widerspruch“ (Principium contradictionis), dem alles rationale Denken unterworfen ist und ohne das alles intelligente Denken und Kommunizieren unmöglich wäre.
Die Lehre von der Dreieinigkeit berührt den tiefsten Kern des göttlichen Wesens. Aus diesem Grund gehört sie zum Kernbestand des christlichen Glaubens. Wie wir gesehen haben, hängt sie unauflöslich zusammen mit Christi Identität – seiner Identität als Urheber und Vollender unseres Glaubens (Hebr 12,2).
Über das Mysteriöse und Vielschichtige dieser Lehre sollten wir uns unseren Menschenkopf nicht allzu sehr zerbrechen. Wir sollten sie vielmehr als tröstlich auffassen. Denn ein ganz wunderbarer Aspekt der Trinität ist, dass sie die Bezüglichkeit Gottes in Liebe sichtbar macht. Über diese Dreieinigkeit der Liebe hat Augustinus viel geschrieben. Liebe, sagt er, setzt einen Liebenden voraus. So kann der Vater mit dem Liebenden verglichen werden, der Sohn mit dem, der geliebt wird, und der Heilige Geist mit der Liebesbindung selbst.[5]
Ähnlich lautend hat C. S. Lewis einmal gesagt, die Einheit zwischen dem Vater und dem Sohn sei etwas derart Lebendiges und Konkretes, dass sie selbst ebenfalls eine Person sei.[6] So macht die Trinität die Liebe prinzipiell überhaupt erst möglich – in der Tat ein wichtiges und tröstliches Faktum.
Die gewaltigen Energien, die die großen Apologeten der christlichen Orthodoxie in früheren Jahrhunderten zur Verteidigung der historischen Trinitätslehre aufgewandt haben, sollten die heutige Kirche in ihrer Laxheit, was diesen Kardinalsatz unseres Glaubens betrifft, geradezu beschämen.
Die Trinität ist mehr als „verstiegene Spekulation“, mehr als „abstrakte Lehre“ ohne realen, lebendigen Bezug zu unserem Leben. Die Trinität stellt unser Heil auf das Fundament der unveränderlichen Realität der Gottheit. Sie ist keine nebensächliche, nach Belieben wähl- und abwählbare Lehre.
Im christlichen Glauben ist es nicht so, dass wir uns unsere Lehren nach Gutdünken aussuchen und den einen zentralen Glaubenssatz bestätigen, den anderen fallen lassen können. Wenn es um die Essentials des Glaubens geht, kann man nicht sagen: „Herr, wenigstens habe ich neun von zehn!“ Hier heißt es: Ganz oder gar nicht.
Wie es Augustinus ausdrückte: Einheit im Wesentlichen; Freiheit im Nichtwesentlichen; Nächstenliebe in allem. Die Lehre von der Dreieinigkeit fällt in die erste Kategorie. Mit Debatten über Endzeit-Szenarien, Kindertaufe und mit ähnlichen hausinternen Fragen hat sie nichts zu tun. Sie ist vielmehr ein Hügel, den nach Kräften zu halten und auf dem notfalls zu sterben alle bibelgläubigen Christen bereit sein müssen.
„Hab acht auf dich selbst und auf deine Lehre“, gebietet Paulus. Aus welchem Grund? „Denn wenn du das tust, wirst du dich selbst retten und die, die dich hören“ (1. Tim 4, 15-16). Hier geht es um das ewige Heil, und deshalb dürfen wir in der Frage der Trinitätslehre nicht nachlässig sein, sondern müssen – in einem Zeitalter, in dem das nicht populär ist – bereit sein, ihre überragende Bedeutung zu verteidigen. ❏
Gannon Murphy ist Gründer und Leiter des Minnesota Apologetics Project.
Literaturverzeichnis
[1] C. G. Singer, Evangelical Dictionary of Theology (Grand Rapids, Michigan: Baker Books, 1984), Stichwort „Unitarianism”, S. 1126
[2] G. W. Bromley, Evangelical Dictionary of Theology (Grand Rapids, Michigan: Baker Books, 1984), Stichwort „Trinity”, S. 1112
[3] Hebret Lockyer, Hrsg., Illustrated Dictionary of the Bible (Nashville, Tennessee: Thomas Nelson Publishers, 1986), Stichwort „Trinity“, S. 1073
[4] Norman Geisler, Baker Encyclopedia of Christian Apologetics (Grand Rapids, Michigan: Baker Books, 1999), Stichwort „Trinity“, S. 730
[5] Ebenda, S. 733
[6] C. S. Lewis, „The Trinity“, The Joyful Christian (New York: Simon and Schuster, 1977), S. 47