Der geistliche Krieg

Von Dr. Joseph Tkach

„Zieht an die Waffenrüstung Gottes“, schreibt Paulus in Epheser 6,11, „damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Anschläge des Teufels.“ Diesem geistlichen Krieg kommt hohe Bedeutung zu, denn wir haben hier „nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, nämlich mit den Herren der Welt, die in dieser Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel“ (Vers 12).

Da der geistliche Krieg so wichtig ist, ist es auch wichtig, sein Wesen zu begreifen und sich fernzuhalten von unbiblischen Ideen, die manchmal unter dem Namen „geistlicher Krieg“ daherkommen. Aufgrund verschiedener Exzesse und Missbräuche halten sich manche Menschen überhaupt von allen Formen des „geistlichen Krieges“ fern. Aber, wie Paulus sagt: Wir haben geistliche Widersacher, und es wird hilfreich sein, uns zu überlegen, wie wir sie bekämpfen.

Die Waffenrüstung Gottes
Paulus entwirft das Bild einer „Waffenrüstung Gottes“, bestehend aus dem Gürtel der Wahrheit, dem Panzer der Gerechtigkeit, den starken Schuhen des Evangeliums des Friedens, dem Schild des Glaubens, dem Helm des Heils, dem Schwert des Geistes, das laut Paulus das Wort Gottes ist, und dem Gebet im Geist (Eph 6, 13-18). Auf jedem dieser Teilbilder könnten wir interessante Analogien aufbauen, doch ich glaube, manche der populären Auslegungen überstrapazieren die Analogien auf eine von Paulus nicht gewollte Weise.

Die Hauptaussage des Paulus ist: Zu einem geistlichen Kampf brauchen wir geistliches Rüstzeug. Wir brauchen Wahrheit, weil die Wahrheit uns frei macht. Wir brauchen Gerechtigkeit, die Gabe der Gerechtigkeit, die Gott uns schenkt durch den Glauben an Christus, welcher uns dazu führt, in ihm gerecht zu leben.

Glaube an Gott hilft uns, mit Gottesfrieden alle Bezichtigungen Satans zu er dulden, denn wir wissen: Ganz gleich, wessen er uns bezichtigt, dem Christen ist vergeben worden; mit Schuldgefühlen und mit Angst vor dem Versagen brauchen wir uns nicht zu belasten. Zusätzlich schenkt uns der Glaube Standhaftigkeit und Frieden angesichts der Tragödien, Ungerechtigkeiten und Heimsuchungen des Lebens.

Sind unsere Füße durch das Evangelium des Friedens geschützt, so sind wir imstande, überallhin zu gehen, wohin wir gehen müssen, in der friedvollen Gewissheit des verlässlichen Gotteswortes. Wenn Gott für uns ist, wer kann gegen uns sein? Bei seiner Versuchung durch Satan wehrte sich Jesus, indem er das Wort Gottes zitierte. Wir sind geistlich stärker, wenn wir das, was Gott gesagt hat, kennen und ihn beim Wort nehmen können.

Seine Liste der geistlichen Waffenrüstung beschließt Paulus damit, dass er uns erinnert, dass geistliche Kraft allein von Gott kommt und dass wir daher beten müssen – „allezeit mit Bitten und Flehen ... [auch] für alle Heiligen“ (Eph 6,18). Mit dem Herrn steht und fällt der Kampf, und da wir nie im Voraus wissen, wann der Feind angreift, muss das Gebet ein ständiger Teil unseres Lebens bleiben. Eine ergänzende Liste der geistlichen Waffenrüstung gibt Paulus in 1. Thessalonicher 5,8: „... angetan mit dem Panzer des Glaubens und der Liebe und mit dem Helm der Hoffnung auf das Heil.“ Hier rückt er das Trio Glaube, Hoffnung, Liebe in den Vordergrund. Er meint: Wir werden geistlich stärker sein und nicht so rasch straucheln und stürzen, wenn diese Eigenschaften in unserem Leben wirken.

Drei-Fronten-Krieg
Unser geistlicher Kampf spielt sich an drei Fronten ab: der Front des Fleisches, der Welt und des übernatürlichen Bö sen. Sünden des „Fleisches“ schließen auch Sünden der Geisteshaltung mit ein, z. B. Hochmut. Paulus schildert diesen Kampf in Galater 5,17: „Denn das Fleisch [gemeint: die fleischlich-sündige Grundnatur] begehrt auf gegen den Geist und der Geist gegen das Fleisch; die sind gegeneinander, so dass ihr nicht tut, was ihr wollt.“ Zu den Sünden des Fleisches zählen Eifersucht, Selbstsucht und Hass, auch sexuelle Unmoral und Trunkenheit (Vers 19-21).

Oft kommen unsere geistlichen Nöte von innen, aus vererbten Schwächen, aus Sünden, die uns im Kindesalter angetan wurden, oder aus schlechten Gewohnheiten, die wir uns zugelegt haben. Paulus mahnt uns, uns als „der Sünde gestorben“ zu betrachten, die Taten des Fleisches abzutöten, die Sünde nicht in uns herrschen zu lassen (Röm 6,11-12; 8-13; Kol 3,5). Dies ist geistlicher Krieg. Habgier (zum Beispiel) ist ein geistliches Problem, selbst dann, wenn böse Geister nicht beteiligt sind. Sünde ist eine geistliche Kraft, und wirksam kann sie nur der bekämpfen, in dem der Geist Gottes präsent ist.

Auch unser Milieu und unsere Kultur kann unserer geistlichen Gesundheit abträglich sein. Die westliche Kultur fördert Materialismus und Individualismus. Kulturbeeinflusst ist unsere Haltung zu Sexualität, zu Geld, Macht, Erfolg, zu anderen ethnischen Gruppen und anderen Religionen. Manchmal sind diese Einflüsse positiv; oft sind sie es nicht. Auf der Grundlage des Gotteswortes müssen wir bewerten, ob es sich um gute, schlechte oder neutrale Kultureinflüsse handelt.

1. Johannes 2, 15-17 spricht unsere Haltung zur Kultur an: „Habt nicht lieb die Welt noch was in der Welt ist. Wenn jemand die Welt lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters. Denn alles, was in der Welt ist, des Fleisches Lust und der Augen Lust und hoffärtiges Leben, ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. Und die Welt vergeht mit ihrer Lust; wer aber den Willen Gottes tut, der bleibt in Ewigkeit.“ Nie sollten wir uns in die Dinge der Welt verlieben, denn alles, was diese Welt bietet, wird irgendwann fortgewischt werden. An erster Stelle sollten für uns immer die Dinge Gottes stehen.

Beachten Sie in dieser Passage, dass die Welt an die Begierden des Fleisches appelliert; diese beiden geistlichen Feinde arbeiten Hand in Hand und sind manchmal nicht voneinander zu unterscheiden. Auch die Menschen, die in dieser Welt leben, haben fleischliche Begierden, können ihnen aber häufig nicht so gut widerstehen, daher fördert die Gesellschaft oft Zügellosigkeit und übertriebene menschliche Autonomie (aus eigener Kraft und eigenem Willen kann ich alles schaffen). Dessen müssen wir uns bewusst sein, nicht so, dass wir diese Menschen hassen, sondern so, dass wir ein gesundes Misstrauen gegenüber den Werten entwickeln, die viele Menschen gedankenlos und selbstverständlich vertreten.

Böse Geister
Unser dritter geistlicher Feind ist die übernatürliche Welt – die bösen Geister, deren Rolle manche übertreiben, andere vollkommen leugnen. Paulus sagt eindeutig, dass wir gegen böse Mächte in den himmlischen Regionen kämpfen – nicht den Himmel selbst, aber die geistliche Welt im Allgemeinen. Wir sind einmal beeinflusst gewesen von „dem Mächtigen, der in der Luft herrscht, nämlich dem Geist, der zu dieser Zeit am Werk ist in den Kindern des Ungehorsams. Unter ihnen haben auch wir alle einst unser Leben geführt in den Begierden unsres Fleisches und taten den Willen des Fleisches und der Sinne ...“ (Eph 2,2-3).

Diese drei Kräfte – das böse geistliche Reich, unsere Kultur und unsere sündhafte Natur – arbeiten einander zu, und es ist selten notwendig, genau festzustellen, woher die Übel kommen, die uns versuchen. Alle drei sind Mitgegner in unserem geistlichen Krieg.

Jedoch: Wir brauchen den Satan nicht zu fürchten, denn wir sind schon „er rettet von der Macht der Finsternis und ... versetzt in das Reich seines lieben Sohnes“ (Kol 1,13). Durch seinen Tod hat Jesus die Macht gebrochen, die Satan über uns hatte (Hebr 2,14). Weil wir mit Christus verbündet sind, können wir, wie Paulus, gewiss sein, dass der „Herr ... mich erlösen [wird] von allem Übel und mich retten in sein himmlisches Reich“ (2. Tim 4,18).

Satan ist ein geschlagener Feind, aber immer noch ein Feind, der uns mit Guerillakrieg überzieht. Meist kommen seine Angriffe unerwartet und oft unter Tarnung. Satan „verstellt sich als Engel des Lichts. Darum ist es nichts Großes, wenn sich auch seine Diener verstellen als Diener der Gerechtigkeit“ (2. Kor 11,14-15).

Petrus beschreibt den Teufel als Löwen auf Beutegang: „... euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllen der Löwe und sucht, wen er verschlinge“ (1. Petr 5,8). Was also sollen wir tun? „Dem widersteht, fest im Glauben, und wisst, dass ebendieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen. Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen“ (Vers 9-10).

Die Strategie ist einfach: Widerstand leisten. Wie? Durch Glauben! Besondere Worte oder Rituale, bestimmte Salbungen oder Gebete schreibt die Bibel nicht vor. Wir müssen keine speziellen Namen lernen und keine speziellen Gänge tun.

Weder Jesus noch die Apostel haben als Schlüssel zum geistlichen Wachstum oder zum wirksamen Evangelisieren speziell Ausschau nach Dämonen gehalten, um sie publikumswirksam zu bekämpfen. Sie haben Dämonen ausgetrieben, wenn es unausweichlich war, haben aber nicht nach verborgenen Dämonen oder „territorialen Geistern“ gesucht. Jesus hat Satan nicht durch Angriff geschlagen, sondern durch Kontern mit dem Gotteswort und dann durch seinen Tod am Kreuz.

„Widersteht dem Teufel, so flieht er von euch“, versichert uns Jakobus 4,7. Widerstehe, dann flieht der Teufel (oder böse Geist) und sucht sich ein leichteres Ziel. Wenn wir Gott vertrauen, hat der Teufel keine Handhabe. Diesen Schild können seine Feuerpfeile nicht durchdringen. Niemand kann uns aus Jesu Hand reißen (Joh 10,28). Bei Christus sind wir in Sicherheit. Wenn wir ihm vertrauen, können böse Geister uns keinen Schaden tun (1. Joh 5,18; 2. Thess 3,3).

Deshalb sollen wir glaubensfest bleiben und den Anfechtungen widerstehen, die der Teufel an uns heranträgt; den Versuchungen, die an unsere fleischlichen Begierden, unseren Stolz, unsere Selbstsucht appellieren; den gottlosen Kultureinflüssen. Wie leisten wir Widerstand? Indem wir uns rüsten mit Glauben und Gerechtigkeit, Wahrheit und dem Evangelium und indem wir immer beten.

Fehlauffassungen
Lassen Sie mich einige irrtümliche Auffassungen ansprechen, die manchmal unter dem Namen „geistliche Kriegführung“ laufen. Folgende Praktiken sind durch die Bibel nicht gedeckt:
* Der Versuch, „Reviere“ dämonischer Kräfte zu finden und zu kartieren.
* Der Versuch, geographische Bereiche festzulegen oder Dämonen wiederholt zu „binden“.
* Der Versuch, die Namen von Dämonen festzustellen, um damit Gewalt über sie auszuüben.
* Der Versuch, den Dämonen Auskünfte zu entlocken.
* Die Suche nach Kristallen oder Amuletten, die angeblich Dämonen Kraft verleihen.
* Wiederholtes Beten über unbelebten Objekten, etwa Steinen.
* Die Suche nach Generationsflüchen, als hätten Worte magische Kraft.

Manche dieser Techniken widmen übernatürlichen Kräften weit mehr Aufmerksamkeit, als sie verdienen. Sie werden dabei als legitime Kräfte statt als Usurpatoren behandelt. Diese Ideen sind Aberglaube, entlehnt aus der Gedankenwelt der Magie; sie suchen Kraft nicht in Christus, sondern in Techniken. Wenn solche Techniken je funktionierten, triebe man damit gleichsam den Teufel durch Beelzebub aus. Gewinnen können wir nur mit Christus. Er hat solche Strategien nie befürwortet, und wir können uns nicht anmaßen, es besser machen zu wollen als er.

Flüche und Zaubersprüche haben keine eigene Kraft. Ja, man kann jemanden verfluchen, und ein böser Geist kann den Fluch vielleicht sogar ausführen aber nur, wenn der böse Geist es will, nicht durch innewohnende Kraft der Worte. Es ist nicht notwendig, die Dämonenwelt zu durchforschen, um verborgene Flüche zu finden; es ist nicht notwendig, mit besonderen Worten die ursprünglichen Worte unschädlich zu machen. Alles, was notwendig ist, ist Christus.

Dämonische Besessenheit
Hinter jeder schlechten Haltung, hinter jeder Abnormität der Persönlichkeit wittern manche Menschen einen Dämon. Viele Geisteskrankheiten, die früher auf Dämonen zurückgeführt wurden, liegen, wie heute nachgewiesen ist, an physiologischen Fehlfunktionen. Obwohl sie geistliche Nachwirkungen haben können, werden sie nicht von bösen Geistern verursacht. Mit der Diagnose, jemand sei von einem bösen Geist besessen, sollten wir daher sehr vor sichtig sein.

Behauptungen dämonischer Besessenheit sind häufig falsch – aber nicht immer. Im Allgemeinen könnten folgende Symptome vorhanden sein: 1) feindselige Reaktion auf den Namen Jesus, 2) eine unnatürliche, ominöse, böse Ausstrahlung, 3) Beschäftigung mit Okkultismus und Hexerei, 4) eine auffällige Grundhaltung der Unversöhnlichkeit, Verbitterung und Wut, 5) übernatürliche Kraft und 6) selbstschädigendes Verhalten. Keines dieser Einzelsymptome garantiert, dass wirklich Besessenheit vor liegt, und eine Diagnose sollte nur mit sorgfältiger Beratung vorgenommen werden.

Tritt ein solcher Fall ein, kann ein Prediger einfach in Christi Namen seines Amtes walten und dem Geist gebieten, auszufahren. Dabei ist kein Geschrei notwendig, kein Zwiegespräch ist not wendig. Der Name des Dämons muss nicht festgestellt, keine weiteren Details über die Dämonenwelt in Erfahrung gebracht werden (was der Dämon sagt, ist wahrscheinlich sowieso gelogen). Der Dämon kann einige Zeit hinhaltenden Widerstand leisten und z. B. die Aufmerksamkeit abzulenken suchen, deshalb müssen wir festbleiben und ihn immer wieder kraft der Vollmacht Christi auffordern, auszufahren.

Dann müssen wir den Betroffenen lehren, einer Neuansteckung vorzubeugen: ihm die Wahrheit des Heils, das Evangelium der Hoffnung, den Glauben an Christus nahebringen, ihn ermutigen zu einem Leben der Gerechtigkeit, des Gebets und des Bibelstudiums, umgeben von Menschen, die ihm helfen.

Wir brauchen die Dämonenwelt nicht zu fürchten. Ihre Macht ist begrenzt. Satans Hauptstrategie heißt nicht direkte Besessenheit, sondern leise Verführung durch die Hintertür. Dämonen wirken durch die uns umgebende Gesellschaft: Sie setzen an unserer sündhaften Natur an und suchen uns zu falschen Denk- und Verhaltensweisen zu verführen. Sie arbeiten mit Angst, Schuldgefühlen und Unwissenheit. Das Gegenmittel heißt Glaube, Vergebung und die Wahrheit des Evangeliums.

Literaturempfehlung
Die Geistwelt (Broschüre) zum Download unter Artikel/Titelverzeichnis


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