Jesus und die Frauen
Von Sheila Graham

Im Umgang mit Frauen verhielt sich Jesus geradezu revolutionär im Vergleich zu den Bräuchen, wie sie in der Gesellschaft des ersten Jahrhunderts üblich waren.

Maria, die Mutter Jesu
Als sie ins Teenageralter kam, war es ihr Vater, der ihre Vermählung arrangierte. Das war der Brauch in jener Zeit. Maria sollte die Ehefrau des Zimmermanns, Joseph, Sohn von Heli, werden. Durch ihre Geburt als Mädchen in einer jüdischen Familie war die ihr zugeordnete Rolle fest vorgegeben. Ihre Rolle in der Geschichte der Menschheit war jedoch außergewöhnlich. Gott hatte sie auserwählt, die Mutter Jesu zu sein.

Als der Engel Gabriel zu ihr kam, war sie anfangs erschrocken und fragte sich, was dessen Erscheinung bedeuten könne. Der Engel beruhigte sie und erklärte ihr, dass sie diejenige sei, die Gott als Mutter Jesu auserwählt habe.

Wie soll das zugehe“, fragte sie den Engel, „da ich doch von keinem Manne weiß?“

Der Engel antwortete: „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wir dich überschatten; darum wird auch das Heilige, das geboren wird, Gottes Sohn genannt werden. Und siehe Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei. Denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.“

Maria aber sprach: „Siehe, ich bin des Herrn Magd; mir geschehe, wie du gesagt hast. Und der Engel schied von ihr“ (Lk 1,34-38).

Obwohl sie wusste, dass ihr Schande und Demütigung drohten, fügte sich Maria im Glauben bereitwillig dem Willen Gottes. Sie war sich im Klaren darüber, dass Josef sie möglicherweise nicht heiraten würde. Man würde sie als nicht mehr jungfräulich ansehen. Maria handelte mit großem Mut und Glauben.

Obwohl Gott sie beschützte, indem er Josef im Traum aufzeigte, dass er sie trotz ihrer Schwangerschaft heiraten sollte, verbreitete sich die Geschichte ihrer vorehelichen Schwangerschaft.

Dennoch Josef blieb treu und heiratete die bereits schwangere Maria. Schmähungen in Form von hochgezogenen Augenbrauen und mit dem Fingerzeig versehenem Klatsch und Tratsch sollten sie und Jesus lebenslang begleiten.

Jesus Christus hat seine Mutter während seines ganzen Lebens und bei seiner Kreuzigung geehrt. Maria befand sich am Fuß des Kreuzes. Als Jesus sie dort sah, zweifellos schockiert über das, was sie mit ansehen musste, ließ er sie und Johannes mitfühlend wissen, wie sie nach seinem Tod und seiner Auferstehung versorgt werden würde:

Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich (Joh 19,26-27).

Jesus brachte Ehre und Respekt nicht nur seiner Mutter entgegen. Das galt gegenüber allen Frauen – eine Haltung, die in seiner Kultur und Zeit recht erstaunlich und weithin unbekannt war. Im Gegensatz zu den Männern seiner Generation und Kultur lehrte Jesus, dass Frauen vor Gott den Männern gleichgestellt sind. Frauen konnten ebenso Gottes Vergebung und Gnade empfangen und wie die Männer zu den persönlichen Nachfolgern Christi gehören. Frauen können vollwertige Mitbürgerinnen im Reich Gottes sein. Jesus bot den Frauen volle Nachfolge an.

Dies waren revolutionäre Vorstellungen. Viele seiner Zeitgenossen, einschließlich seiner Jünger, waren schockiert. Die Frauen waren natürlich überglücklich und begeistert, und viele stellten ihr Leben in seinen Dienst. Schauen wir uns anhand der historischen Erzählungen in der Heiligen Schrift einige dieser gläubigen Frauen an und wie Jesus mit ihnen umgegangen ist.

Maria Magdalena
Eines der ungewöhnlichsten Beispiele aus der Anfangszeit des Wirkens Jesu ist die hingebungsvolle Nachfolge von Maria Magdalena. Zu der Gruppe von Frauen, die mit Jesus und seinen 12 Jüngern reisten, gehörte auch Maria, genannt Magdalena (Lukas 8,2). Maria wird in einer Liste der weiblichen Jünger Jesu Christi fast immer an erster Stelle genannt. Sie könnte eine der Anführerinnen der Gruppe von Frauen gewesen sein, die Jesus von den Anfängen seines Wirkens in Galiläa bis zu seinem Tod und danach folgten.

Der auferstandene Jesus ist zuerst ihr erschienen. Es ist eine Ironie des Schicksals, dass Jesus Christus in einer Zeit, in der Frauen keine gesetzlichen Zeugen sein durften, Frauen als erste Zeuginnen seiner Auferstehung auswählte. Wie die britische Schriftstellerin Dorothy L. Sayers sagte: „Vielleicht ist es kein Wunder, dass die Frauen die ersten an der Wiege und die letzten am Kreuz waren. Sie hatten nie einen Mann wie diesen erlebt – es gab keinen, der vergleichbar wäre. Einen Propheten und Lehrer, der nie an ihnen herumnörgelte, sie nie manipulierte, ungebührlich anredete oder bevormundete: der sich nie über sie lustig machte ... der sie nie missgelaunt zurechtwies oder auf herablassende Weise lobte: der ihre Fragen und Argumente ernst nahm“ (Are Women Human? , Seite 47).

Maria und Marta
Jesus Christus lehrte, dass Frauen genauso wie Männer dafür verantwortlich sind, in Gnade und Erkenntnis zu wachsen, wenn es darum geht, zu seinen Nachfolgern zu gehören. Dies kommt in dem Bericht des Lukas über den Besuch Jesu im Haus von Marta und Maria, die in Bethanien, einem Dorf etwa zwei Meilen von Jerusalem entfernt, lebten, deutlich zum Ausdruck. Marta hatte Jesus und seine Jünger zu sich nach Hause zum Essen eingeladen. Doch während Marta damit beschäftigt war, ihre Gäste zu bedienen, hörte ihre Schwester Maria zusammen mit den anderen Jüngern Jesus zu.

Lukas schrieb: Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: „Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll! (Lk 10,38-40).

Marta scheint die ältere Schwester gewesen zu sein und das Oberhaupt ihres eigenen Hauses. Jesus tadelte Marta nicht dafür, dass sie mit Dienen beschäftigt war, aber er sagte ihr, dass ihre Schwester Maria diejenige war, die ihre Prioritäten richtig gesetzt hatte. „Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden“ (Lk 10,41-42).

Jesus erwartete, dass sowohl Frauen als auch Männer von ihm lernten. Jesus war nicht der Meinung, die Arbeit der Frauen oder die Arbeit der Männer wäre deshalb nicht wichtig. Er sagte nicht, dass es falsch sei, fleißig und umsichtig zu sein, was unsere Pflichten angeht. Christus wollte damit sagen, dass wir unsere Prioritäten richtig setzen sollten. Frauen waren genauso wie Männer dazu berufen, Jüngerinnen Jesu zu sein, und er erwartete, dass sie ihrer geistlichen Verantwortung ebenso nachkamen wie die Männer.

Eine Tochter Abrahams
Ein weiterer faszinierender Bericht des Lukas handelt von der Heilung einer behinderten Frau am Sabbat, in der Synagoge, direkt vor den Augen des Synagogenvorstehers. Die Heilung zeigt nicht nur, dass Christus persönlich seine neue Lebensweise den alten legalistischen, pharisäischen Beschränkungen gegenüberstellt, sondern auch, dass er die Frauen sehr schätzt.

Wir lesen: „Und er lehrte in einer Synagoge am Sabbat. Und siehe, eine Frau war da, die hatte seit achtzehn Jahren einen Geist, der sie krank machte; und sie war verkrümmt und konnte sich nicht mehr aufrichten. Als aber Jesus sie sah, rief er sie zu sich und sprach zu ihr: Frau, du bist erlöst von deiner Krankheit! Und legte die Hände auf sie; und sogleich richtete sie sich auf und pries Gott“ (Lk 13,10-13).

Der Vorsteher der Synagoge protestierte sofort. Er empörte sich darüber, da es doch sechs andere Tage gäbe, an denen man geheilt werden konnte. Damit wollte er Christus dafür abstrafen, dass er nach Ansicht des religiösen Vorstehers den Sabbat gebrochen hatte. Wurde Christus durch diese Worte eingeschüchtert? Nicht im Geringsten.

„Da antwortete ihm der Herr und sprach: Ihr Heuchler! Bindet nicht jeder von euch am Sabbat seinen Ochsen oder Esel von der Krippe los und führt ihn zur Tränke? Musste dann nicht diese, die doch Abrahams Tochter ist, die der Satan schon achtzehn Jahre gebunden hatte, am Sabbat von dieser Fessel gelöst werden?“ (Lk 13,15-16).

Jesus Christus zog nicht nur den Zorn der jüdischen Führer auf sich, indem er diese Frau am Sabbat heilte, er zeigte auch seine Wertschätzung für sie, indem er sie eine „Tochter Abrahams“ nannte. „Die Vorstellung, ein Sohn Abrahams zu sein, war weit verbreitet. Jesus verwendet diesen Begriff einige Kapitel später im Lukasevangelium in Bezug auf Zachäus (Lk 19,9). Aber mit dieser einen Änderung des Ausdrucks – von ‘Sohn’ zu ‘Tochter’ – erhebt Jesus diese ehemals bedauernswerte Frau in einen neuen Status“, sagen die Autoren Ruth A. Tucker und Walter Liefeld (Daughters of the Church, Seite 31).

Vor seinen schärfsten Kritikern zeigte Jesus öffentlich seine Besorgnis und Wertschätzung für diese Frau, die andere wahrscheinlich jahrelang gesehen hatten, wie sie sich in ihrem Elend abmühte, in die Synagoge zu kommen, um Gott anzubeten; jemanden, den sie vielleicht gemieden haben, weil sie eine Frau war und weil sie behindert war.

Weibliche Nachfolger
Die Bibel gibt nich genau an, wie viele Frauen mit Jesus und seinen männlichen Jüngern reisten, aber Lukas nennt die Namen einiger prominenter Frauen und erwähnt, dass es „viele andere“ gab.

Und es begab sich danach, dass er von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf zog und predigte und verkündigte das Evangelium vom Reich Gottes; und die Zwölf waren mit ihm, dazu etliche Frauen, die er gesund gemacht hatte von bösen Geistern und Krankheiten, nämlich Maria, genannt Magdalena, von der sieben Dämonen ausgefahren waren, und Johanna, die Frau des Chuza, eines Verwalters des Herodes, und Susanna und viele andere, die ihnen dienten mit ihrer Habe (Lk 8,1-3).

Denken Sie über diese bemerkenswerten Worte nach. Hier waren Frauen nicht nur mit Jesus Christus und seinen männlichen Jüngern zusammen, sondern reisten auch mit ihnen. Beachten Sie auch, dass zumindest einige dieser Frauen – möglicherweise Witwen – über ihre eigenen Finanzen verfügten. Durch ihre Großzügigkeit wurden Jesus und seine Jünger zumindest teilweise unterstützt.

Obwohl Christus unter den kulturellen Traditionen des ersten Jahrhunderts wirkte, ignorierte er die Beschränkungen, die den Frauen durch ihre Kultur auferlegt worden waren. Frauen waren frei, ihm zu folgen und sich an seinem Dienst für die Menschen zu beteiligen.

Alle sind eins in Christus
In Christus sind wir alle Kinder Gottes. Wie der Apostel Paulus schrieb: „Ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus“ (Gal 3,26-28).

Die bedeutsamen Worte des Paulus, vor allem wenn sie Frauen betreffen, sind auch heute noch kühn und waren zu der Zeit, als er sie schrieb, sicherlich erstaunlich. Dies war eine weitere von Paulus' Aussagen über den Wandel, die zeigten, dass eine neue Bundesbeziehung durch Christus begonnen hatte.

Jetzt haben wir ein neues Leben in Christus. Alle Christen haben eine neue Beziehung zu Gott. Durch Christus sind wir – sowohl Männer als auch Frauen – Gottes eigene Kinder und eins in Jesus Christus geworden. Christus ruft alle – Männer und Frauen – zur Umkehr und zu einer neuen Lebensweise auf. Jesus hat durch sein persönliches Beispiel gezeigt, dass es an der Zeit ist, die alten Vorurteile, das Gefühl der Überlegenheit über andere, die Gefühle des Grolls und des Zorns abzulegen und in einem neuen Leben mit ihm und durch ihn zu leben.

Viele von Ihnen sind bestrebt, Frauen des Glaubens zu sein. Wie die gebeugte Frau, die von Christus in der Synagoge geheilt wurde, müssen viele von Ihnen über Diskriminierungen hinwegsehen, wenn Sie Gott treu anbeten und ihm dienen. Lassen Sie sich nicht entmutigen und geben Sie nicht auf. Jesus Christus nennt Sie in jeder Hinsicht ebenbürtig in seinen Augen und Erben seiner Verheißungen. Und wenn Sie ihm demütig nachfolgen, wird Christus Sie in seinem Dienst gebrauchen.

Und für diejenigen unter Ihnen, die diesen Schritt noch nicht getan haben, gilt: So wie er die arme Frau von Satans lähmender körperlichen Bedrängnis befreit hat, verspricht Christus, Sie und alle seine „Töchter Abrahams“ zu befreien, die umkehren und ihm folgen. Jesus Christus möchte Sie in seinem Reich haben.


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