Er sorgte für sie
Die meisten von uns lesen die Bibel schon seit langer Zeit, oft sogar seit vielen Jahren. Es tut gut, die vertrauten Verse zu lesen und sich in sie einzuhüllen, als wären sie eine warme Decke. Dabei kann es vorkommen, dass unsere Vertrautheit bewirkt, dass wir Dinge übersehen. Wenn wir sie mit wachen Augen und aus einem neuen Blickwinkel lesen, kann der Heilige Geist uns helfen, mehr zu erkennen und uns möglicherweise auch an Dinge erinnern, die wir vergessen haben.
Als ich wieder einmal in der Apostelgeschichte las, stieß ich in Kapitel 13, Vers 18, auf eine Stelle, die sicherlich viele von uns gelesen haben, ohne ihr große Beachtung geschenkt zu haben: „Und vierzig Jahre lang ertrug er sie in der Wüste“ (Luther 1984). In der Luther-Bibel von 1912 hieß es: „er duldete ihre Weise“ oder aus einer alten King James Version ins Deutsche übersetzt heißt es: „er litt unter ihrem Verhalten“.
So hatte ich diese Stelle meiner Erinnerung nach immer gelesen – und auch so gehört –, dass Gott die jammernden und klagenden Israeliten ertragen musste, als wären sie eine große Last für ihn gewesen. Doch dann las ich die Verweisstelle in 5. Mose 1,31: „Da hast du gesehen, dass dich der HERR, dein Gott, getragen hat, wie ein Mann seinen Sohn trägt, auf dem ganzen Wege, den ihr gewandert seid, bis ihr an diesen Ort kamt.“ In der neuen Bibelübersetzung Luther 2017 heißt es: „Und vierzig Jahre lang trug er sie in der Wüste“ (Apg 13,18). Der MacDonald-Kommentar erklärt: „er trug Sorge für ihre Bedürfnisse“.
Mir ging ein Licht auf. Selbstverständlich hatte er für sie gesorgt – sie hatten Nahrung, Wasser und Schuhe, die nicht verschlissen. Obwohl ich wusste, dass Gott sie nicht verhungern ließ, ist mir nie bewusst geworden, wie nah und innig er mit ihrem Leben verbunden war. Es war so ermutigend zu lesen, dass Gott sein Volk getragen hat, wie ein Vater seinen Sohn trägt. Ich kann mich nicht erinnern, das jemals so gelesen zu haben!
Manchmal können wir nachfühlen, Gott könne uns nur schwer ertragen oder dass es ihm leid wird, sich unser und unserer andauernden Probleme anzunehmen. Unsere Gebete scheinen immer wieder dieselben zu sein und unsere Sünden treten immer wieder auf. Selbst wenn wir manchmal nörgeln und uns wie undankbare Israeliten benehmen, sorgt Gott doch immer für uns, ungeachtet wie sehr wir auch jammern; andererseits bin ich mir sicher, dass er es lieber hätte, wenn wir ihm danken würden, statt uns zu beklagen.
Christen, sowohl im vollzeitigen Dienst als auch außerhalb (obwohl alle Christen in irgendeiner Weise zum Dienst berufen sind), können müde werden und ausbrennen. Man kann anfangen, seine Geschwister als unerträgliche Israeliten anzusehen, was dazu verleiten mag, sich deren „nervige“ Probleme aufzuladen und sie zu durchleiden. Etwas zu ertragen bedeutet, eine Sache zu tolerieren, die man nicht mag oder etwas zu akzeptieren, was schlecht ist. Aber Gott sieht uns nicht so!
Wir alle sind Gottes Kinder und bedürfen der respektvollen, mitfühlenden und liebevollen Fürsorge. Mit Gottes Liebe, die durch uns fließt, können wir unsere Nächsten lieben, statt sie nur zu ertragen. Wenn notwendig, werden wir sogar fähig sein, jemanden zu tragen, dessen Kräfte auf dem Weg nicht mehr ausreichen. Erinnern wir uns daran, dass Gott nicht nur für sein Volk in der Wüste sorgte, sondern sie auf seinen liebenden Armen trug. Er trägt uns immer weiter und hört nicht auf, uns zu lieben und zu versorgen, selbst wenn wir klagen und vergessen, dankbar zu sein. ❏