Die Bergpredigt – Matthäus 5 bis 7
Von Dr. Michael Morrison
John Stott hat es so ausgedrückt: „Die Bergpredigt ist vermutlich der bekannteste Teil der Lehren Jesu, aber wohl auch der am wenigsten verstandene und sicherlich der am wenigsten befolgte“ (Die Botschaft der Bergpredigt, pulsmedien Worms 2010, Seite 11).
Lassen Sie uns erneut die Bergpredigt studieren. Vielleicht finden wir neue Schätze und erinnern uns auch wieder an die alten.
Als Erstes kommen die Seligpreisungen:
Doch „geistlich arm“ zu sein, deutet auf mehr hin. Arme Leute wissen, dass es ihnen am Nötigsten fehlt. Die geistlich Armen wissen, dass sie Gott brauchen; sie fühlen einen Mangel in ihrem Leben. Sie denken nicht von sich, Gott einen Gefallen zu tun, indem sie ihm dienen. Jesus sagt, das Himmelreich werde solchen Menschen – wie ihnen – zuteil. Es sind die Demütigen, die Abhängigen, denen das Himmelreich gegeben wird. Sie vertrauen allein auf Gottes Barmherzigkeit.
Dann wendet sich Jesus direkt an seine Jünger und spricht sie mit dem Wort „ihr“ in der zweiten Person Mehrzahl an:
Es gibt eine wichtige Stelle in diesem Vers: „um meinetwillen“. Jesus erwartet von seinen Jüngern, dass sie nicht nur wegen ihres guten Lebenswandels, sondern auch aufgrund ihrer Verbindung zu Jesus verfolgt werden. Deshalb seid fröhlich und getrost, wenn ihr verfolgt werdet – wenigstens sollte euer Tun genügen, um beachtet zu werden. Ihr macht in dieser Welt einen Unterschied aus und könnt sicher sein, es wird euch belohnt werden.
Jesus verwendete auch einige kurze metaphorische Formulierungen, um zu beschreiben, wie seine Nachfolger die Welt beeinflussen sollen:
Wenn Salz seine Würze verliert, würde es nutzlos sein, denn sein Geschmack verleiht ihm seinen Wert. Salz ist gerade deshalb so gut, weil es anders als andere Dinge schmeckt. Genauso sind die Jünger Jesu in der Welt zerstreut – doch wenn sie der Welt gleich sind, sind sie zu nichts nütze.
Wie sollen die Jünger leben? Jesus spricht darüber in den Versen 21 bis 48. Er beginnt mit einer Warnung: Wenn ihr hört, was ich sage, werdet ihr euch vielleicht darüber wundern, ob ich versuche, die Schrift aufzulösen. Das tue ich nicht. Ich tue und lehre exakt das, was die Schriften mir vorschreiben. Was ich sagen werde, wird euch überraschen, aber bitte, versteht mich nicht falsch.
Jesus spricht nicht über Gesetze (im Plural), sondern über das Gesetz (im Singular) – d. h. über die Thora, die ersten fünf Bücher der Heiligen Schrift. Er spricht auch über die Propheten, ein anderer Hauptabschnitt der Bibel. Bei diesem Vers geht es nicht um einzelne Gesetze, sondern um die Bücher des Alten Testaments als Ganzes. Jesus kam nicht, um die Heilige Schrift abzuschaffen, sondern sie zu erfüllen.
Natürlich spielte Gehorsam eine Rolle, aber es ging um mehr. Gott möchte, dass seine Kinder mehr tun, als Regeln zu folgen. Als Jesus die Thora erfüllte, war dies nicht nur eine Sache des Gehorsams. Er vollendete alles, worauf die Thora jemals hingedeutet hatte. Er tat das, wozu Israel als Nation nicht in der Lage war.
Dann sagte Jesus:
Aber Christen müssen ihre Kinder nicht beschneiden lassen, bauen keine Laubhütten und tragen auch keine blauen Fäden in Quasten. Alle stimmen darin überein, dass wir diese Gesetze nicht halten müssen. So fragt sich, was Jesus meinte, als er sagte, dass keines der Gesetze aufgelöst würde? Ist es nicht so, in der Praxis sind diese Gesetze verschwunden?
Es gibt drei grundlegende Überlegungen hierzu. Erstens, wir können erkennen, dass diese Gesetze nicht verschwunden sind. Sie sind noch in der Thora aufgeführt, aber das bedeutet nicht, dass wir sie befolgen müssen. Das ist richtig, doch es scheint nicht das zu sein, was Jesus hier sagen wollte.
Zweitens, könnte man sagen, dass Christen diese Gesetze halten, und zwar im Glauben an Christus. Wir halten das Gesetz der Beschneidung in unseren Herzen (Röm 2,29) und wir halten alle rituellen Gesetze durch Glauben. Auch das ist richtig, doch es dürfte nicht das sein, was Jesus hier genau sagte.
Drittens, es gilt festzuhalten, dass 1. keines der Gesetze veralten kann, bevor alles erfüllt ist und 2. alle darin übereinstimmen, dass mindestens einige der Gesetze nicht mehr gültig sind. Somit schlussfolgern wir 3., dass alles erfüllt wurde. Jesus erfüllte seine Mission und das Gesetz des Alten Bundes ist jetzt nicht mehr gültig.
Allerdings, warum sollte Jesus sagen „bis Himmel und Erde vergehen“? Sagte er es einfach, um die Gewissheit seiner Ausführungen zu betonen? Warum verwendete er zweimal das Wort „bis“, wenn nur eines davon relevant war? Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass es viele Gesetze im Alten Testament gibt, die Christen nicht halten müssen, und die Verse 17-20 sagen uns nicht, welche betroffen sind. Wenn wir Verse nur deshalb zitieren, weil uns bestimmte Gesetze zusagen, dann missbrauchen wir diese Verse. Sie lehren uns nicht, dass alle Gesetze für immer gültig sind, da dies nicht auf alle Gesetze zutrifft.
Jesus fährt fort:
Welche sind „ diese” Gebote? Bezieht sich Jesus auf die Gebote im Gesetz des Moses oder auf seine eigenen Anweisungen, die er kurz darauf geben wird? Wir müssen die Tatsache beachten, dass Vers 19 mit dem Wort „deshalb“ beginnt (statt „nun“ in der Luther-Üs). Es gibt eine logische Verbindung zwischen den Versen 18 und 19. Soll das heißen, das Gesetz wird bleiben, es sollen diese Gebote gelehrt werden? Das würde beinhalten, dass Jesus über das Gesetz spricht. Aber es gibt Gebote in der Thora, die überholt sind und nicht mehr als Gesetz gelehrt werden sollen. Daher kann Jesus nicht davon gesprochen haben, dass wir alle Gesetze des Alten Testaments lehren sollen. Das würde auch im Gegensatz zum Rest des Neuen Testamentes stehen.
Sehr wahrscheinlich ist die logische Verbindung zwischen den Versen 18 und 19 eine andere und richtet sich mehr auf den Schlussteil „bis es alles geschieht“. Diese Überlegung würde Folgendes bedeuten: Das ganze Gesetz wird bleiben, bis es alles geschieht und „deshalb“ (da Jesus alles erfüllte), sollen wir diese Gesetze lehren (die Gesetze Jesu, die wir gleich lesen werden), anstelle der alten Gesetze, die er kritisiert. Dies ergibt mehr Sinn, wenn man es im Kontext der Predigt und des Neuen Testamentes betrachtet.
Es sind Jesu Gebote, die gelehrt werden sollen (Mt 7,24; 28,20). Jesus erklärt das Warum:
Die Pharisäer waren für ihren strikten Gehorsam bekannt; sie gaben sogar den Zehnten von ihren Kräutern und Gewürzen. Aber wahre Gerechtigkeit ist eine Angelegenheit des Herzens, des Charakters einer Person, nicht die Einhaltung bestimmter Vorschriften. Jesus sagt nicht, dass unser Gehorsam gegenüber diesen Gesetzen besser sein muss, sondern dass der Gehorsam besseren Gesetzen gelten muss, die er kurz darauf anschaulich erklären wird, damit wir wissen, was er meint.
Aber wir sind nicht so gerecht, wie wir sein sollten. Wir alle brauchen Barmherzigkeit und wir kommen nicht ins Himmelreich aufgrund unserer Gerechtigkeit, sondern auf andere Weise, wie Jesus in den Versen 3-10 erklärte. Paulus nannte es das Geschenk der Gerechtigkeit, Rechtfertigung durch den Glauben, die perfekte Gerechtigkeit Jesu, an der wir teilhaben, wenn wir durch den Glauben mit ihm vereint werden. Aber Jesus gibt über das alles hier keine Erklärung.
Kurz zusammengefasst: Denken Sie nicht, dass Jesus kam, um die Schriften des Alten Testaments abzuschaffen. Er kam, um zu tun, was die Schriften vorausgesagt hatten. Jedes Gesetz blieb in Kraft bis Jesus alles erfüllte, wozu er gesandt wurde. Er gibt uns jetzt einen neuen Maßstab für Gerechtigkeit, nach dem wir leben und den wir lehren sollen.
Jesus stellt sechs alte Lehren den neuen Lehren gegenüber. Sechs Mal zitiert er die bisherige Lehre, meistens aus der Thora selbst. Sechs Mal erklärt er, dass sie nicht genügen. Er zeigt einen anspruchsvolleren Maßstab der Gerechtigkeit auf.
Wir werden aufgrund unseres Zorns gerichtet. Jemand, der töten will oder jemand anderem den Tod wünscht, ist ein Mörder in seinem Herzen, selbst wenn er die Tat nicht ausführen kann oder will. Es ist jedoch nicht jeder Zorn eine Sünde. Jesus selbst war manchmal zornig. Aber Jesus sagt es deutlich: Jeder, der zornig ist, untersteht der Gerichtsbarkeit. Das Prinzip ist in harte Worte gefasst; die Ausnahmen sind nicht aufgeführt. An dieser Stelle und an weiteren Stellen in der Predigt stellen wir fest, dass Jesus seine Forderungen extrem deutlich formuliert. Wir können keine Aussagen aus der Predigt herausnehmen und so handeln, als gäbe es dazu keine Ausnahmen.
Jesus fügt hinzu:
Jesus selbst hat Menschen als „Narren” bezeichnet (Mt 23,17, mit demselben griechischen Wort). Wir können diese Ausdrücke nicht als legalistische Regeln ansetzen, die buchstäblich zu befolgen sind. Es geht hier darum, etwas klarzustellen. Der Punkt ist, dass wir andere Menschen nicht verachten sollen. Dieses Prinzip geht über die Absicht der Thora hinaus, denn wahre Gerechtigkeit charakterisiert das Reich Gottes.
Jesus macht es durch zwei Gleichnisse deutlich:
Jesus lebte in einer Zeit, als der Alte Bund noch gültig war und seine Bekräftigung der Gesetze des Alten Bundes bedeutet nicht, dass sie heute noch in Kraft sind. Sein Gleichnis weist darauf hin, dass zwischenmenschliche Beziehungen höher zu bewerten sind als Opfer. Wenn jemand etwas gegen Sie hat (ob berechtigt oder nicht), dann sollte die andere Person den ersten Schritt tun. Wenn sie es nicht tut, warten Sie nicht; übernehmen Sie die Initiative.
Das ist leider nicht immer möglich. Jesus gibt kein neues Gesetz, sondern erklärt das Prinzip mit deutlichen Worten: Strebt danach, euch zu versöhnen.
Das 10. Gebot verbot zu begehren, das 7. Gebot jedoch nicht. Es verbot „Ehebruch“ – ein Verhalten, das durch bürgerliche Gesetze und Strafen reglementiert werden konnte. Jesus versucht nicht, seine Lehre durch die Schrift zu festigen. Er muss es nicht tun. Er ist das lebendige Wort und hat mehr Autorität als das geschriebene Wort.
Jesu Lehren folgen einem Schema: Das alte Gesetz nennt eine konkrete Sache, aber wahre Gerechtigkeit erfordert viel mehr. Jesus macht extreme Aussagen, um es auf den Punkt zu bringen. Wenn es um Ehebruch geht, sagt er:
Natürlich wäre es besser, ein Körperteil zu verlieren als das ewige Leben. Aber das ist nicht wirklich unsere Alternative, da Augen und Hände uns nicht zur Sünde verleiten können; würden wir sie entfernen, so würden wir eine andere Sünde begehen. Die Sünde kommt aus dem Herzen. Was wir brauchen, ist, eine Veränderung unseres Herzens. Jesus betont, dass unser Denken einer Behandlung unterzogen werden muss. Es bedarf extremer Maßnahmen, um die Sünde zu eliminieren.
Das ist eine harte Aussage – schwer zu verstehen und schwer umzusetzen. Nehmen wir an, ein schlechter Mann verstößt seine Frau ohne irgendeinen Grund. Ist sie dann automatisch eine Sünderin? Und ist es eine Sünde für einen anderen Mann, dieses Opfer einer Scheidung zu heiraten?
Jesu Aussage ist hier eine schockierende Feststellung, die etwas deutlich machen will – in diesem Fall heißt das, dass Scheidung immer mit Sünde verbunden ist. Gott beabsichtigte eine lebenslange Bindung in der Ehe und wir sollen danach streben, in der von ihm beabsichtigten Weise an ihr festzuhalten. Jesus unternahm hier nicht den Versuch, eine Diskussion darüber zu führen, was wir tun sollen, wenn die Dinge nicht so laufen wie sie sollten.
Jesus selbst ging über ein einfaches Ja oder Nein hinaus. Oft sagte er Amen, Amen. Er sagte, dass Himmel und Erde vergehen werden, aber seine Worte würden es nicht tun. Er rief Gott zum Zeugen, dass er die Wahrheit sagte. Ebenso verwendete Paulus in seinen Briefen einige eidliche Versicherungen, statt nur einfach Ja zu sagen (Röm 1,9; 2. Kor 1,23).
So sehen wir erneut, dass wir die ausdruckstarken Aussagen der Bergpredigt nicht als Verbote betrachten müssen die buchstäblich zu befolgen sind. Wir sollten einfach ehrlich sein, aber in bestimmten Situationen können wir die Wahrheit des von uns Gesagten besonders bekräftigen.
In einem Gericht, um ein modernes Beispiel zu verwenden, ist es uns erlaubt zu „schwören”, dass wir die Wahrheit sagen und wir können Gott deshalb um Hilfe anrufen. Es ist kleinlich zu behaupten, dass „ eine eidesstattliche Erklärung“ akzeptabel sei, aber „Schwören“ sei es nicht. Im Gericht sind diese Worte gleichbedeutend – und beide sind mehr als ein Ja.
Jesus zitiert wieder aus der Thora:
Jesus verbietet jedoch, was die Thora verlangt:
Die nächste Aussage Jesu muss ebenfalls als Überspitzung gesehen werden. Das bedeutet nicht, dass wir sie als irrelevant abtun können. Es geht vor allem um das Verständnis des Prinzips; wir müssen diesem erlauben, unser Verhalten einer Herausforderung auszusetzen, ohne aus diesen Regeln einen neuen Gesetzeskodex zu entwickeln, weil man davon ausgeht, dass Ausnahmen niemals zulässig seien.
Es geht Jesus bei seinen überzogenen Aussagen nicht darum, dass wir anderen Menschen gestatten müssen, sich einen Vorteil auf unsere Kosten zu verschaffen und auch nicht, dass wir sie dafür belohnen müssen. Vielmehr geht es ihm darum, dass wir keine Vergeltung üben. Seid darauf bedacht, Frieden zu stiften; versucht nicht, anderen einen Schaden zuzufügen.
Jesus erinnert uns, dass Gott
Unsere Liebe für andere soll vollkommen sein, sich auf alle Menschen erstrecken, das ist es, was Jesus beabsichtigt, wenn er sagt:
Alte Lehre | Quelle | Neue Lehre | Beweise für Übertreibungen |
---|---|---|---|
Du sollst nicht töten; jeder, der tötet, ist des Gerichtes schuldig | Du sollst nicht töten; jeder, der tötet, ist des Gerichtes schuldig | ||
Wer mit seinem Bruder zürnt, der ist des Gerichts schuldig | Jesus war manchmal zornig; Nicht jeder Zorn ist Sünde | ||
Wer aber sagt: Du Narr!, der ist des höllischen Feuers schuldig | Jesus bezeichnete Men-schen als Narren | ||
Versöhn dich erst mit deinem Bru-der | Das ist nicht immer möglich | ||
Regle Streitigkeiten außerhalb des Gerichts | Das ist nicht immer möglich | ||
Du wirst nicht herauskommen, bis du den letzten Pfennig bezahlt hast | Manchmal werden Schulden erlassen | ||
Du sollst nicht ehebrechen | Zitat aus 2. Mo 20,14 | Wer begehrt, der hat bereits die Ehe gebrochen | a |
Wenn Auge oder Hand dich zur Sünde verleiten, entferne sie | Augen und Hände können nicht zur Sünde verleiten; sie zu entfernen ist Sünde. | ||
Wer sich von seiner Frau scheidet, der soll ihr einen Scheidebrief geben | Bezieht sich auf 5. Mo 24, 1‑4 | Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn wegen Ehebruchs, der macht, dass sie die Ehe bricht; und wer eine Geschiedene heiratet, der bricht die Ehe | Paul erlaubte eine weitere Ausnahme Auch der Mann begeht Ehebruch Wenn sie nicht wieder hei-ratet, ist sie keine Ehebrecherin |
Du sollst dem Herrn deinen Eid halten /dein Gelübde erfüllen | Genaue Paraphrasen aus 4. Mo 30, 3 und 5. Mo 23,22 | Ihr sollt überhaupt nicht schwören | Es besteht keine Notwendigkeit, einen Schwur durch eine „eidesstattliche Erklärung“ zu ersetzen |
Euer “Ja” sei ein “Ja” | Jesus und Paulus sagten mehr als nur “Ja”, um die Wahrheit ihrer Worte zu bekräftigen | ||
Auge um Auge, Zahn um Zahn | Zitat aus 3. Mo 24,19‑20 und 5. Mo 19,21 | Wehrt euch nicht gegen eine schlechte Person | Gewaltloser Widerstand ist erlaubt; sogar Jesus gebrauchte Gewalt |
Bietet auch die andere Wange dar | Wir können uns wehren oder weggehen | ||
Du sollst deinen Nächsten lieben | Zitat aus 3. Mo 19,18 | Liebet eure Feinde und betet für sie | menschlich unmöglich |
und deinen Feind hassen | Übertreibung der Thora | Seid vollkommen | |
Zusammenfassung | Meistens ein Zitat oder eine Paraphrase der Thora | Sogar noch mehr ist erforderlich – wer kann diese erstaunlichen Ansprüche erfüllen? | Häufig gibt es Ausnahmen |
Jesus lehrt einen hohen Maßstab der Gerechtigkeit, der von uns eine innere Einstellung der Aufrichtigkeit erfordert. Mit bestürzenden Worten warnt er uns vor Zorn, Ehebruch, Schwüren und Vergeltung. Er sagt, dass wir sogar unsere Feinde zu lieben haben (Mt 5).
Die Pharisäer waren bekannt für strenge Richtlinien, aber unsere Gerechtigkeit sollte besser sein, als die der Pharisäer (was ziemlich bestürzend sein kann, wenn wir vergessen, was an früherer Stelle der Bergpredigt über Barmherzigkeit verheißen wurde). Wahre Gerechtigkeit ist eine Herzenseinstellung. Im sechsten Kapitel des Matthäusevangeliums sehen wir, wie Jesus dieses Thema deutlich macht, indem er Religion als Show verurteilt.
Zu Jesu Zeiten gab es Leute, die aus Religion eine Show machten. Sie stellten sicher, dass die Leute ihre guten Werke beachten konnten. Sie erhielten dafür von vielen Seiten Anerkennung. Das ist alles, was sie erhalten, sagt Jesus, denn ihr Handeln ist nur Schauspielerei. Es ging ihnen nicht darum, Gott zu dienen, sondern in der öffentlichen Meinung gut dazustehen; eine Haltung, die Gott nicht belohnen wird.
Religiöses Gehabe sieht man heute auch auf Kanzeln, bei der Ausübung von Ämtern, der Leitung eines Bibelstudiums oder in Beiträgen von Kirchenzeitungen. Man mag den Armen Nah- rung geben und das Evangelium predigen. Äußerlich sieht es wie ernsthaftes Dienen aus, aber die Einstellung kann ganz anders sein.
Natürlich weiß unsere „Hand“ nichts von unserem Handeln. Jesus benutzt eine Redewendung, die ausdrückt, dass Almosengeben nicht zu Showzwecken dient, weder zugunsten anderer noch zum Eigenlob. Wir tun es für Gott, nicht des eigenen Ansehens wegen.
Es ist nicht buchstäblich zu verstehen, dass Wohltätigkeit nur im Geheimen stattfinden darf. Jesus hat schon vorher gesagt, dass unsere guten Taten sichtbar sein sollten, damit die Leute Gott preisen (Mt 5,16). Der Fokus liegt auf unserer Einstellung, nicht auf unserer Außenwirkung. Unser Motiv sollte darin bestehen, gute Werke zu Gottes Ehre zu tun, nicht um unserer eigenen Ehre willen.
Jesus sagte Vergleichbares über das Gebet:
Jesus stellt kein neues Gebot gegen öffentliches Beten auf. Manchmal hat selbst Jesus in der Öffentlichkeit gebetet. Der Punkt ist, dass wir nicht beten sollten, um einfach nur gesehen zu werden, auch sollten wir das Gebet nicht aus Angst vor der öffentlichen Meinung vermeiden. Das Gebet verehrt Gott und ist nicht dazu da, sich selbst gut zu präsentieren.
Gott kennt unsere Nöte, trotzdem sollen wir ihn bitten (Phil 4,6) und darin beharrlich sein (Lk 18,1-8). Der Erfolg des Gebets hängt von Gott ab, nicht von uns. Wir müssen nicht eine gewisse Anzahl von Worten erreichen oder einen Mindestzeitrahmen einhalten, weder eine besondere Gebetshaltung einnehmen, noch schöne Worte wählen.
Jesus gab uns ein Mustergebet – ein Beispiel für Einfachheit. Es mag als Richtschnur dienen. Auch andere Entwürfe sind willkommen.
Hier beendet Jesus das Gebet und weist abschließend nochmals auf unsere Verantwortung hin, uns gegenseitig zu vergeben. Je besser wir verstehen, wie gut Gott ist und wie groß unser Versagen ist, umso besser werden wir verstehen, dass wir Barmherzigkeit brauchen und bereit sein müssen, anderen zu vergeben (V. 14-15).
Das sieht nun mal wie ein Vorbehalt aus: Ich werde dies erst dann tun, wenn du jenes getan hast. Ein großes Problem besteht darin: Menschen sind nicht sehr gut im Vergeben. Keiner von uns ist vollkommen und niemand vergibt vollkommen. Fordert Jesus uns auf, etwas zu tun, das selbst Gott nicht tun würde? Wäre es denkbar, dass wir anderen bedingungslos vergeben müssten, während er seine Vergebung an Bedingungen knüpft? Wenn Gott seine Vergebung von unserer Vergebung abhängig machen würde und wir es genauso tun würden, dann würden wir anderen erst vergeben, wenn sie auch vergeben hätten. Wir würden in einer endlosen Schlange anstehen, die sich nicht bewegt.
Wenn unsere Vergebung darauf beruht, dass wir anderen vergeben, dann ist unser Heil von unserem Tun – von unseren Werken abhängig. Deshalb haben wir theologisch und praktisch ein Problem, wenn wir Matthäus 6,14-15 wörtlich nehmen. An dieser Stelle können wir der Überlegung hinzufügen, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist, bevor wir auch nur geboren wurden. Die Schrift sagt, dass er unsere Sünden ans Kreuz genagelt und die ganze Welt mit sich versöhnt hat.
Auf der einen Seite lehrt uns Matthäus 6, dass unsere Vergebung von Bedingungen abhängig zu sein scheint. Auf der anderen Seite lehrt uns die Schrift, dass unsere Sünden bereits vergeben sind – was die Sünde der unterlassenen Vergebung einschließen würde. Wie sind diese beiden Vorstellungen in Einklang zu bringen? Entweder haben wir die Verse der einen Seite falsch verstanden oder die der anderen Seite.
Wir können nun als weiteres Argument in die Überlegungen einbringen, dass Jesus oft das Element der Übertreibung in seinen Gesprächen verwendet hat. Wenn dein Auge dich verführt, dann reiß es aus. Wenn du betest, geh in dein Kämmerlein (doch Jesus betete nicht immer im Haus). Wenn du den Notleidenden gibst, so lass deine linke Hand nicht wissen, was die rechte tut. Widerstrebt nicht einem üblen Menschen (doch Paulus tat es). Sagt nicht mehr als Ja oder Nein (doch Paulus tat es). Ihr sollt niemanden Vater nennen – und doch, wir tun es alle.
Daraus können wir erkennen, dass in Matthäus 6,14-15 ein weiteres Beispiel für Übertreibung verwendet wurde. Das heißt nicht, dass wir das ignorieren können – Jesus wollte damit darauf hinweisen, wie wichtig es ist, anderen Menschen zu vergeben. Wenn wir möchten, dass Gott uns vergibt, dann sollten wir auch anderen vergeben. Wenn wir in einem Reich leben wollen, in dem uns Vergebung zuteilwurde, so müssen wir in derselben Weise danach leben. Wie wir uns wünschen, von Gott geliebt zu sein, so sollten wir unsere Mitmenschen lieben. Wenn wir darin versagen, wird es Gottes Wesen, zu lieben, nicht verändern. Wahr bleibt, wenn wir geliebt werden möchten, sollten wir das auch tun. Obwohl es sich so anhört, als sei dies alles von der Erfüllung einer Vorbedingung abhängig, besteht der Zweck des Gesagten darin, uns zur Liebe und zur Vergebung zu ermutigen. Paulus hat es wie eine Anweisung formuliert:
Im Vaterunser bitten wir um das tägliche Brot, obwohl wir es (in den meisten Fällen) bereits im Haus haben. In derselben Weise bitten wir um Vergebung, obwohl wir sie bereits erhalten haben. Das ist ein Eingeständnis, dass wir etwas falsch gemacht haben und dass sich dies auf unsere Beziehung mit Gott auswirkt, jedoch in der Zuversicht, dass er bereit ist, zu vergeben. Es ist Teil dessen, was es bedeutet, wenn wir die Erlösung eher als ein Geschenk erwarten, denn als etwas, das wir durch unsere Leistung verdienen könnten.
Jesus kommt auf eine andere religiöse Verhaltensweise zu sprechen:
Wenn wir fasten, so waschen und kämmen wir uns wie immer, da wir vor Gott kommen und nicht, um die Leute zu beeindrucken. Wieder liegt die Betonung auf der Einstellung; es geht nicht darum, mit dem Fasten aufzufallen. Wenn uns jemand fragt, ob wir gerade fasten, so können wir wahrheitsgemäß antworten – sollten aber niemals hoffen, gefragt zu werden. Unser Ziel ist, nicht aufzufallen, sondern Gottes Nähe zu suchen.
Bei allen drei Themen weist Jesus auf denselben Punkt hin. Ob wir Almosen geben, beten oder fasten, es geschehe „im Verborgenen“. Wir trachten nicht danach, Menschen zu beeindru- cken, verstecken uns aber auch nicht vor ihnen. Wir dienen Gott und ehren ihn allein. Er wird uns belohnen. Die Belohnung mag ebenso wie unsere Tätigkeit im Verborgenen geschehen. Sie ist real und geschieht nach seiner göttlichen Güte.
Konzentrieren wir uns darauf, Gott wohlzugefallen. Erfüllen wir seinen Willen und wertschätzen seine Belohnungen höher als vergängliche Belohnungen dieser Welt. Öffentliches Lob ist eine kurzlebige Form der Belohnung. Jesus spricht hier über die Flüchtigkeit physischer Dinge.
Weltliche Reichtümer sind nur von kurzer Dauer. Jesus gibt uns den Rat, eine bessere Investitionsstrategie zu verfolgen – nach den dauerhaften Werten Gottes zu trachten durch stille Wohltätigkeit, unauffälliges Gebet und Fasten im Verborgenen.
Wenn wir Jesus zu wörtlich nehmen, könnte man meinen, er würde ein Gebot gegen das Sparen für das Pensionsalter aufstellen. Es geht aber tatsächlich um unser Herz – was wir als wertvoll betrachten. Wir sollten die himmlischen Belohnungen höher wertschätzen als unsere weltlichen Ersparnisse.
Anscheinend nutzt Jesus hier ein Sprichwort seiner Zeit und wendet es in Bezug auf die Geldgier an. Wenn wir uns gehörende Dinge in der richtigen Weise ansehen, werden wir Möglichkeiten erkennen, Gutes zu tun und großzügig zu sein. Wenn wir jedoch selbstsüchtig und neidisch sind, so begeben wir uns in moralische Finsternis – korrumpiert von unseren Süchten.
Wonach trachten wir in unserem Leben – zu nehmen oder zu geben? Sind unsere Bankkonten so eingerichtet, dass sie uns dienen oder ermöglichen sie uns, anderen zu dienen? Unsere Ziele leiten uns zum Guten oder korrumpieren uns. Wenn unser Inneres korrupt ist, wenn wir nur nach den Belohnungen dieser Welt trachten, dann sind wir wirklich verdorben.
Was motiviert uns? Ist es das Geld oder ist es Gott?
Wie könnte eine Person dem Mammon „dienen“? Indem sie glaubt, das Geld bringe ihr Glück, es lasse sie als äußerst machtvoll erscheinen und sie könne ihm hohen Wert beimessen. Diese Einschätzungen sind besser gegenüber Gott angebracht. Er ist derjenige, der uns Glück geben kann, er ist die wahre Quelle von Sicherheit und Leben; er ist die Macht, die uns am besten helfen kann. Wir sollten ihn höher wertschätzen und ehren als alles andere, weil er an erster Stelle steht.
In Matthäus 5 erklärt Jesus, dass wahre Gerechtigkeit aus dem Inneren kommt und eine Angelegenheit des Herzens ist – nicht einfach des Verhaltens. Im 6. Kapitel lesen wir, was Jesus zu unseren frommen Taten sagt. Sie müssen aufrichtig sein und dürfen nicht als Wohltaten dargestellt werden, um uns gut aussehen zu lassen. In den beiden Kapiteln spricht Jesus zwei Probleme an, die vorkommen, wenn man sich bei der Definition von Gerechtigkeit hauptsächlich am äußeren Verhalten orientiert. Zum einen möchte Gott nicht, dass sich nur unser äußeres Verhalten ändert und zum anderen verleitet es die Leute dazu, eine Änderung des Herzens nur vorzutäuschen.
In Kapitel 7 zeigt uns Jesus ein drittes Problem, das sich ergibt, wenn das Verhalten im Vordergrund steht: Menschen, die Gerechtigkeit mit Verhalten gleichsetzen, neigen dazu, andere zu richten oder zu kritisieren.
Diejenigen, die schnell dabei sind, andere zu verurteilen und sich gegenüber anderen überlegen fühlen, werden von Gott verurteilt. Alle haben gesündigt und jeder bedarf der Barmherzigkeit. Doch einigen fällt es schwer, dies zuzugeben, und ebenso fällt es ihnen schwer, Barmherzigkeit gegenüber anderen zu üben. Deshalb warnt uns Jesus, dass die Art und Weise, wie wir andere Menschen behandeln, dazu führen kann, dass Gott uns genauso behandelt. Je mehr wir unsere eigene Bedürftigkeit nach Barmherzigkeit empfinden, desto weniger werden wir über andere richten.
Dann gibt uns Jesus eine humorvoll übertriebene Veranschaulichung dessen, was er meint:
Ein Heuchler behauptet, er würde anderen helfen, ihre Sünden zu identifizieren. Er beansprucht, weise zu sein und behauptet, ein Eiferer für das Gesetz zu sein. Doch Jesus sagt, dass ein solcher Mensch nicht dazu qualifiziert ist, zu helfen. Er ist ein Heuchler, ein Schauspieler, ein Vortäuscher. Er muss erst selber die Sünde aus seinem Leben entfernen; er muss verstehen, wie groß seine eigene Sünde ist.
Wie kann der Balken entfernt werden? Jesus hat das an dieser Stelle nicht erklärt, aber wir wissen aus anderen Stellen, dass Sünde nur durch Gottes Gnade entfernt werden kann. Nur wer Barmherzigkeit erfahren hat, kann anderen wirklich helfen.
Jesus sprach bereits über Gebet und unseren Mangel an Glauben (Kapitel 6). Nun spricht er dieses wieder an:
Jesus beschreibt eine Einstellung des Vertrauens oder eine Zuversicht gegenüber Gott. Warum können wir solchen Glauben haben? Weil Gott vertrauenswürdig ist.
Dann stellt Jesus einen einfachen Vergleich an:
Nicht immer bekommen wir, was wir uns wünschen und manchmal mangelt es uns besonders an Disziplin. Jesus geht jetzt nicht auf diese Dinge ein – sein Anliegen ist hier einfach, dass wir Gott vertrauen können.
Als Nächstes äußert sich Jesus zur goldenen Regel. Der Sinn ist ähnlich wie bei Vers 2. Gott wird uns so behandeln, wie wir andere behandeln, deshalb fordert er uns auf
Wenn wir freundlich behandelt werden wollen und möchten, dass im Zweifelsfall zu unseren Gunsten entschieden wird, dann müssen wir gütig gegenüber anderen sein. Wenn wir möchten, dass uns jemand hilft, wenn wir Hilfe brauchen, dann sollten wir bereit sein, auch anderen zu helfen, wenn sie Hilfe benötigen.
Über die goldene Regel sagt Jesus:
Der Weg des geringsten Widerstandes führt in den Untergang. Christusnachfolge ist nicht der beliebteste Weg. Ihn zu gehen bedeutet, sich selbst zu verleugnen, eigenständig zu denken und die Bereitschaft, im Glauben voranzugehen, auch wenn es sonst niemand tut. Wir können nicht mit der Mehrheit gehen. Wir können auch nicht eine erfolgreiche Minderheit bevorzugen, nur weil sie klein ist. Beliebtheit oder seltenes Vorkommen sind kein Maßstab für die Wahrheit.
Gibt es einen schnelleren Weg, das herauszufinden? Ja, den gibt es – Jesus wird gleich anschließend darauf eingehen. Aber vorher warnt er die falschen Propheten:
Die Bergpredigt endet mit einer Herausforderung. Nachdem die Leute Jesus gehört hatten, mussten sie entscheiden, ob sie gehorsam sein wollten.
Nicht einmal Wunder, die in Jesu Namen getan werden, sind genug:
Wer kann gerettet werden? Lesen Sie das Gleichnis vom klugen und törichten Hausbauer:
Wer auf Jesus baut,
Jesus ist nicht wie die Gesetzeslehrer. Das Gesetz war nicht umfassend und Verhalten allein reicht nicht aus. Wir brauchen die Worte Jesu und er stellt die Anforderungen auf, die niemand aus eigener Kraft erfüllen kann. Wir brauchen Barmherzigkeit, mit Jesus können wir zuversichtlich sein, diese zu erhalten. Unser ewiges Leben hängt davon ab, wie wir auf Jesus reagieren. ❏