Von Jesus gesegnet
Oft werde ich, wenn ich auf Reisen bin, gebeten, im Rahmen von Gemeindegottesdiensten und Konferenzen, eine Ansprache zu halten. Manchmal bittet man mich auch, den Schlusssegen zu sprechen. Ich greife dann häufig auf den Segen Aarons zurück, den dieser den Kindern Israels (im Jahr nach deren Flucht aus Ägypten und lange vor ihrem Einzug ins Gelobte Land) in der Wüste entbot. Seinerzeit unterwies Gott Israel hinsichtlich der Umsetzung des Gesetzes. Die Menschen waren unstet und eher passiv (schließlich waren sie ihr Leben lang Sklaven gewesen!). Wahrscheinlich dachten sie sich: „Gott führte uns durch das Rote Meer aus Ägypten und gab uns sein Gesetz. Aber nun sind wir hier und irren immer noch in der Wüste herum. Was kommt jetzt?“ Gott aber antwortete nicht, indem er ihnen im Einzelnen seinen, sie betreffenden Plan offenbarte. Stattdessen ermunterte er sie, im Glauben auf ihn zu schauen:
Mir steht vor Augen, wie Aaron mit ausgebreiteten Armen vor Gottes geliebten Kindern steht und diesen Segen spricht. Welch‘ eine Ehre muss es für ihn gewesen ein, ihnen den Segen des Herrn zu erteilen. Wie Sie sicher wissen, war Aaron der erste Hohepriester des Stammes der Leviten:
Das Spenden eines Segens war ein Akt ehrfürchtigster Lobpreisung, im Rahmen dessen Gott seinem Volk zur Ermutigung -- hier während des beschwerlichen Auszugs aus Ägypten ins Gelobte Land -- vor Augen gestellt wurde. Diese priesterliche Segnung verwies auf Gottes Namen und Wohltat, auf dass sein Volk in der Zusicherung der Gnade und Vorsehung des Herrn leben möge.
Wenngleich dieser Segen zuallererst einmal einem erschöpften und entmutigten Volk auf seinem Zug durch die Wüste galt, erkenne ich doch auch seinen Bezug auf uns heute. Es gibt Zeiten, in denen wir im Gefühl, planlos umherzuirren, auch unsicher in die Zukunft blicken. Dann bedürfen wir aufmunternder Worte, die uns in Erinnerung rufen, Gott hat uns gesegnet und breitet weiterhin seine schützende Hand über uns aus. Wir müssen uns in Erinnerung rufen, dass er sein Angesicht über uns leuchten lässt, uns gnädig ist und uns seinen Frieden schenkt. Vor allem aber dürfen wir nicht vergessen, dass er uns aus Liebe seinen Sohn Jesus Christus geschickt hat -- den großen und letzten Hohepriester, der selbst den Segen Aarons erfüllt.
Die Karwoche (auch Passionswoche genannt) beginnt in etwa einer Woche mit dem Palmsonntag (eingedenk Jesu triumphierenden Einzugs in Jerusalem), gefolgt von Gründonnerstag (in Erinnerung an das Letzte Abendmahl), Karfreitag (jenem Gedenktag, der uns Gottes uns entgegengebrachte Güte vor Augen führt, die im größten aller Opfer offenbar wurde) und Karsamstag (eingedenk Jesu Grablegung). Dann kommt der alles überstrahlende achte Tag -- Ostersonntag, an dem wir die Auferstehung unseres großen Hohepriesters Jesus, des Sohnes Gottes, feiern (Hebr 4,14). Diese Zeit des Jahres ruft uns nachdrücklich ins Gedächtnis, wir sind für immer gesegnet „mit allem geistlichen Segen im Himmel durch Christus“ (Eph 1,3).
Ja, wir alle erleben Zeiten der Verunsicherung. Aber wir können eingedenk der Tatsache, wie großartig Gott uns in Christus gesegnet hat, beruhigt sein. Wie ein kraftvoll dahinziehender Fluss, dessen Wasser von der Quelle bis weit ins Land hinaus fließt, bereitet Gottes Name der Welt den Weg. Obwohl wir diese Wegbereitung nicht in ihrem vollen Umfang erkennen, werden wir ehrfürchtig dessen gewahr, was uns tatsächlich offenbar wird. Gott lässt uns wahrhaftig seinen Segen zuteilwerden. Die Karwoche ruft uns dies nachdrücklich in Erinnerung.
Auch wenn das Volk Israel Aarons priesterliche Segnung hörte und sich zweifellos dadurch ermutigt fühlte, vergaß es schon bald Gottes Verheißungen. Dies war teilweise den Grenzen, ja Schwachstellen menschlicher Priesterschaft zuzuschreiben. Selbst die besten und getreuesten Priester Israels waren eben sterblich. Gott aber wartete mit etwas Besserem (einem besseren Hohepriester) auf. Der Hebräerbrief ruft uns ins Gedächtnis zurück, dass Jesus, der für immer lebendig ist, unser dauerhafter Hohepriester ist:
Das Bild des Aaron, der segnend seine Arme über Israel ausbreitet, verweist uns auf einen noch größeren Hohepriester, Jesus Christus. Die Segnung, die Jesus dem Volk Gottes erteilt, geht weit über den Segen Aarons hinaus (ist sie doch umfassender, wirkmächtiger und persönlicher gehalten):
Jesus, Gottes Sohn, spricht einen Segen der Vergebung, der uns mit Gott aussöhnt und unsere zerbrochene Beziehung zu ihm wieder ins rechte Lot bringt. Es ist eine Segnung, die einen tief in unsere Herzen und Sinne hineinreichenden Wandel in uns herbeiführt. Sie richtet uns zu innigster Gefolgschaft und Gemeinschaft mit dem Allmächtigen auf. Durch den Sohn Gottes, unseren Bruder, erkennen wir Gott als unseren Vater. Durch seinen Heiligen Geist werden wir seine geliebten Kinder.
Wenn ich so über die Karwoche nachdenke, kommt mir noch ein weiterer Grund in den Sinn, warum diese Segnung für uns große Bedeutung hat. Als Jesus am Kreuz starb, waren seine Arme ausgebreitet. Sein kostbares Leben war, als Opfer für uns dahingegeben, eine Segnung, ein ewiger auf der Welt ruhender Segen. Jesus bat den Vater, uns in unserer ganzen Sündhaftigkeit zu vergeben, dann starb er, auf dass wir leben.
Nach seiner Auferstehung und kurz vor seiner Himmelfahrt erteilte Jesus einen weiteren Segen:
Im Wesentlichen sagte Jesus zu seinen Jüngern sowohl seinerzeit als auch heute: „Ich selbst segne euch und erhalte euch, ich lasse mein Angesicht scheinen auf euch und bin euch gnädig; ich hebe mein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden.“
Mögen wir weiterhin unter dem Segen unseres Herrn und Erlösers leben, welchen Ungewissheiten wir auch begegnen. ❏