Das Evangelium – ein Markenartikel?
In einem seiner frühen Filme sagt John Wayne zu einem anderen Cowboy: „Ich mag das Branding (die Arbeit mit dem Brandeisen) nicht – es tut weh, wenn man an der falschen Stelle steht!“ Seine Bemerkung fand ich recht lustig, doch sie brachte mich auch dazu, darüber nachzudenken, wie Kirchen das Evangelium durch unangemessene Verwendung von Vermarktungstechniken wie z.B. die intensive Werbung für Markenprodukte schädigen können. In unserer Vergangenheit suchte unser Gründer nach einem starken Verkaufsargument und machte uns zur „einzig wahren Kirche“. Diese Vorgehensweise beeinträchtigte die biblische Wahrheit, da das Evangelium neu definiert wurde, um den Markennamen zu fördern.
Unsere Berufung als Christen besteht nicht darin ein Markenprodukt zu vermarkten, sondern sich an Jesu Werk mit der Hilfe des Heiligen Geistes zu beteiligen und durch die Kirche sein Evangelium in der Welt zu verbreiten. Jesu Evangelium spricht mehrere Dinge an: Wie Vergebung und Versöhnung durch Jesu Versöhnungsopfer vollbracht wurde; wie der Heilige Geist uns erneuert (und was es bedeutet, ein neues Leben zu führen); das Wesen unserer Berufung als Nachfolger Jesu, die sich seiner weltweiten Mission anschließen; und die sichere Hoffnung, dass wir für immer der Gemeinschaft angehören, die Jesus mit dem Vater und dem Heiligen Geist hat.
Es gibt Anwendungsbereiche, wenn auch eingeschränkt, in denen Marketing (inklusive Markenpflege) von Nutzen ist, um den Dienst am Evangelium auszuführen, zu dem uns Jesus berufen hat. Zum Beispiel können wir Logos, Webseiten, soziale Medien, Bulletins, Newsletter, Symbole, Rundschreiben und andere Kommunikationsmittel verwenden, die uns helfen, Jesu Botschaft zu verbreiten und den Glauben in Menschen zu wecken. Auf jeden Fall sollten solche Mittel zweckdienlich sein und uns nicht davon abhalten, Licht und Salz in unseren Bürgergemeinden zu sein. So gesehen bin ich nicht gegen richtig angewandtes Marketing, aber ich möchte auch einen Appell zur Vorsicht dazu anbringen und diesen mit einem Ausblick verknüpfen.
Laut der Definition von George Barna ist Marketing „ein Sammelbegriff, der alle Aktivitäten einschließt, die dazu führen, dass sich zwei Parteien darüber einig werden, Güter von adäquatem Wert auszutauschen“ (in A Step by Step Guide to Church Marketing; dt: Schrittweise Einführung ins Kirchen-Marketing). Barna erweitert den Begriff Marketing, indem er Aktivitäten wie Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Strategische Planung, Kundenbefragung, Vertriebswege, Spendenbeschaffung, Preispolitik, Visionskonzeption und Kundendienst als Elemente des Marketings hinzufügt. Dann schließt Barna: „Wenn diese Elemente sich in einer Transaktion zusammenfinden, die die beteiligten Parteien zu einem Austausch von Gütern adäquater Werte veranlasst, so schließt sich der Marketingkreis“. Lassen Sie uns die Vorstellung von einem Austausch mit Gütern von adäquaten Wert eine Weile im Gedächtnis halten.
Es ist erst ein paar Jahre her, da studierten einige unserer Pastoren ein bekanntes Buch von einem Leiter einer südkalifornischen Mega-Kirche. Die wesentliche Aussage des Buches bestand darin, dass man Leuten und ihren Gemeinden etwas bieten könne, das sie begeistert annehmen würden, wenn man die eigene Kirche in einer bestimmten Weise vermarktet. Einige unserer Pastoren haben die empfohlenen Marketing-Techniken ausprobiert und wurden enttäuscht, da ihre Mitgliederzahlen nicht zunahmen.
Aber sollen wir das Evangelium (und unsere Gemeinden) so vermarkten, wie Walmart und Sears ihre Produkte vermarkten – oder sogar Marketingmethoden anwenden, die bestimmte Gemeinden verwenden, um numerisches Wachstum zu generieren? Ich denke, wir stimmen darin überein, dass wir das Evangelium nicht wie einen Konsumartikel von angeblich großem Wert anpreisen müssen. Das hatte Jesus sicherlich nicht im Sinn, als er uns den Auftrag gab, das Evangelium in der Welt zu verkünden und Menschen aus allen Gesellschaftsschichten zu Jüngern zu machen.
Wie der Apostel Paulus niederschrieb, wird das Evangelium oft von entschieden weltlich orientierten Menschen als reaktionär oder verdummend dargestellt (1. Kor 1,18-23) und schon gar nicht als attraktiver, hochbegehrter Konsumartikel angesehen. Als Nachfolger Jesu sind wir nicht fleischlich gesinnt, sondern geistlich gesinnt (Röm 8,4-5). Sicherlich sind wir darin nicht perfekt, aber durch den Heiligen Geist sind wir nach Gottes Willen ausgerichtet (und folglich auch auf sein Werk). So verstanden, überrascht es nicht, dass Paulus gewisse „menschliche“ (weltliche) Techniken zur Verbreitung des Evangeliums zurückwies: Da Gott uns in seiner Gnade diese Aufgabe anvertraut hat, verlieren wir nicht den Mut. Wir lehnen alle skrupellosen Methoden der Verkündigung ab. Wir versuchen nicht jemanden zu überlisten, und wir verfälschen Gottes Wort nicht, sondern wir sprechen die Wahrheit vor Gott. Das wissen alle, die aufrichtige Herzen haben (2. Kor 4,1-2; NLB).
Paulus lehnte die Anwendung von Methoden ab, die kurzfristig zu Erfolgen führen aber zu Lasten des Evangeliums gehen. Die einzige Art von Erfolg, die er sich im Leben und Dienst wünschte, soll aus der Verbundenheit mit Christus und dem Evangelium resultieren.
Einige Werbeversprechen von Kirchen, die das Evangelium wie ein Erfolgsrezept anpreisen, klingen wie folgt: „Kommen Sie in unsere Kirche und Ihre Probleme werden gelöst. Sie werden Gesundheit und Wohlstand erlangen. Sie werden reich gesegnet werden“. Die versprochenen Segnungen haben typischerweise mit Macht, Erfolg und Wunscherfüllung zu tun. Der Zucker-und-Peitsche-Effekt setzt ein, wenn die Interessierten mit den erforderlichen Bedingungen bekannt gemacht werden – wenn es um Dinge wie ein hohes Glaubensniveau geht, um die Teilnahme an einer Kleingruppe, Zahlung des Zehnten, aktive Beteiligung an einem Dienst der Kirche, oder der Einhaltung von bestimmten Zeiten für Gebet und Bibelstudium. Obwohl diese hilfreich für das Wachstum in der Nachfolge Jesu sind, so kann doch nichts davon Gott bewegen, dass er wohlwollend unsere Wünsche im Austausch von Dingen erfüllt, die er angeblich von uns erwartet.
Das Ködern von Menschen mit Aussagen, sie könnten zu Gott kommen, damit er ihre Wünsche erfüllt, ist unlautere Werbung und betrügerisches Marketing. Es ist nichts weiter als Heidentum in modernem Gewand. Christus ist nicht gestorben, um unsere eigennützigen Konsumwünsche zu erfüllen. Er ist nicht gekommen, um uns Gesundheit und Wohlstand zu garantieren. Stattdessen kam er, um uns in die gütige Beziehung mit dem Vater, Sohn und Heiligen Geist aufzunehmen und uns Frieden, Freude und Hoffnung zu schenken, was die Früchte dieser Beziehung sind. Dadurch werden wir gestärkt mit Gottes teurer und verändernder Liebe, um andere Menschen zu lieben und ihnen zu helfen. Diese Art der Liebe kann von manchen (und vielleicht vielen) als aufdringlich oder anstößig empfunden werden, sie weist sie aber immer auch auf die Quelle dieser errettenden, versöhnenden und verändernden Liebe hin.
Sollen wir das Evangelium als ein Tauschobjekt von adäquatem Wert zwischen zwei sich einig gewordenen Parteien vermarkten? Bestimmt nicht! Das Evangelium ist ein Geschenk für alle durch Gottes Gnade. Und alles was wir tun können, ist das Geschenk mit leeren, aufgehaltenen Händen entgegenzunehmen – voller dankbarer Annahme der Segnungen als zu Gott Gehörige. Die Gemeinschaft der Gnade und Liebe drückt sich aus durch ein Leben der dankbaren Anbetung – eine Reaktion, befähigt durch den Heiligen Geist, der uns die Augen geöffnet und unseren stolzen und rebellische Drang zur Unabhängigkeit genommen hat, um zur Ehre Gottes zu leben.
Mit diesen Gedanken im Sinn, möchte ich darauf hinweisen, dass in unserem Leben in und mit Christus und durch den Heiligen Geist, ein Tausch besonderer Art, ein wirklich wunderbarer Tausch stattgefunden hat. Bitte lesen Sie, was Paulus geschrieben hat: Ich bin mit Christus gekreuzigt. Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben (Gal 2,19b-20; LUT 2017).
Wir übergeben unser sündiges Leben an Jesus und er gibt uns sein Leben der Gerechtigkeit. Wenn wir unser Leben aufgeben, finden wir sein Leben in uns wirkend. Wenn wir unser Leben unter die Herrschaft Christi stellen, finden wir den wahren Sinn unseres Lebens, nicht mehr nach unseren Bestrebungen zu leben, sondern um die Ehre Gottes, unseres Schöpfers und Erlösers, zu vergrößern. Dieser Tausch ist keine Marketingmethode – sondern geschieht aus Gnade. Wir erhalten volle Gemeinschaft mit Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, und Gott erhält uns ganz mit Leib und Seele. Wir erhalten den gerechten Charakter Christi und er nimmt alle unsere Sünden hinweg und schenkt uns völlige Vergebung. Das ist sicherlich kein Tausch von Gütern adäquaten Wertes!
Jeder Gläubige in Christus, ob Mann oder Frau, ist eine neue Kreatur – ein Kind Gottes. Der Heilige Geist schenkt uns neues Leben – das Leben Gottes in uns. Als neue Kreatur verändert uns der Heilige Geist, um mehr und mehr an Christi vollkommener Liebe gegenüber Gott und den Menschen teilhaftig zu werden. Wenn unser Leben in Christus ist, dann haben wir Teil an seinem Leben, sowohl in der Freude als auch in leidgeprüfter Liebe. Wir sind Teilhaber seiner Leiden, seines Todes, seiner Gerechtigkeit, ebenso seiner Auferstehung, seiner Himmelfahrt und schließlich seiner Verherrlichung. Als Gottes Kinder sind wir Miterben mit Christus, die aufgenommen sind in seine vollkommene Beziehung mit seinem Vater. In dieser Beziehung sind wir gesegnet durch all das, was Christus für uns getan hat, damit wir Gottes geliebte Kinder werden, mit ihm vereint – in Herrlichkeit immerdar! ❏