Die Karwoche (Heilige Woche)
Die Karwoche [1] (ahd. kara für Klage, Kummer, Trauer; auch: Heilige Woche) ist im christlichen Kirchenjahr die letzte Woche der Ostervorbereitungszeit bzw. Fasten- oder Passionszeit (wobei die letzten drei Tage oft als das „heilige Triduum“ bezeichnet werden) und damit die Woche vor Ostern.
Beginnen wir mit einem Zitat aus dem Buch Living the Christian Year von Bobby Gross. Es wird einige wichtige historische Zusammenhänge aufzeigen.
Im Laufe der Zeit fügte die Kirche der Osterfeier vier Gedenkfeiern zu Schlüsselereignissen im Leben Jesu hinzu, die in der Woche vor Ostern stattfanden. Die sogenannte „Karwoche“ beginnt mit dem Palmsonntag und umfasst Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag.
Schauen wir uns jedes dieser Ereignisse an:
Der Sonntag, mit dem die Karwoche beginnt, ist unter verschiedenen Namen bekannt (v. a. als Palmsonntag), aber es ist wohl am besten, ihn Palm-/Passions-Sonntag zu nennen, denn an diesem Tag ritt Jesus in Jerusalem ein, wohlwissend, dass er dort leiden und sterben würde. Ja, er kam unter dem Beifall einer begeisterten Menge an, aber beachten Sie dies von Laurence Stookey:
Die vom Revised Common Lectionary (RCL) [2] für den Palm-/Passions-Sonntag festgelegten Schriftlesungen (Lektionen) tragen dazu bei, dass der Gottesdienst an diesem Tag seine volle biblische Bedeutung entfaltet. Die Bezeichnung Passionssonntag ist hilfreich und besonders für Gemeinden geeignet, die sich an anderen Tagen der Karwoche nicht zum Gottesdienst treffen. Am Palm-/Passions-Sonntag werden sie sich an alle Schritte Jesu und an alles, was er in der kommenden Woche erlitten hat, erinnern. Wenn sie dann am Ostersonntagmorgen wieder zusammenkommen, werden sie die Auferstehung Jesu feiern, nachdem sie sich bereits am Palm-/Passions-Sonntag an die Passion (das Leiden) Jesu in der Woche vor Ostern erinnert haben.
Der Donnerstag in der Karwoche wird Gründonnerstag (engl. Maundy Thursday) genannt, wobei „maundy“ vom lateinischen Wort für „Gebot“ abgeleitet ist. An diesem Donnerstagabend gab Jesus seinen Anhängern das, was er „ein neues Gebot“ nannte: „Liebt einander! So wie ich euch geliebt habe, so sollt ihr euch auch untereinander lieben“ (Joh 13,34 Hfa). Im Abendmahlssaal in Jerusalem hat Jesus seine selbstaufopfernde, bedingungslose Art zu lieben auf schockierende und unerwartete Weise vorgelebt – er nahm die bescheidene Stellung eines Hausdieners an und wusch seinen Jüngern die Füße. Aus diesem Grund schließen einige Kirchen die Fußwaschung [3] in ihren Gründonnerstagabendgottesdienst ein.
Ein Schwerpunkt dieses Gottesdienstes ist das Gedenken an das sogenannte Letzte Abendmahl. Während dieses Abendmahls setzte Jesus das Sakrament des Abendmahls (auch Eucharistie genannt) ein. Mit Worten des Trostes, der Zuversicht und der Verheißung segnete Jesus das Brot und den Wein, mit denen er sich seinen Jüngern jedes Mal, wenn sie an diesem heiligen Mahl teilnehmen, präsentiert und mit ihnen Gemeinschaft hat, und teilte beides dann mit ihnen. Über die Eucharistie, wie sie am Gründonnerstag gefeiert wird, schrieb Stookey Folgendes:
Am späten Donnerstagabend verließen Jesus und seine Jünger (ohne Judas Iskariot) den Abendmahlssaal in Jerusalem, durchquerten das Kidrontal und stiegen auf den Ölberg, wo Jesus im Garten Gethsemane betete. Dort wurde Jesus verhaftet und abgeführt. Der Gründonnerstag endet also mit einer feierlichen Note, und die Gottesdienste an diesem Abend enden in der Regel mit dem Verlassen des Gottesdienstes in Stille.
Der Freitag in der Karwoche ist der feierlichste Tag im Kirchenjahr. Es ist der Tag, an dem Jesus gefoltert und gekreuzigt wurde und am späten Nachmittag am Kreuz starb. Warum nennt man ihn dann „Karfreitag“ (engl. Good Friday [Guter Freitag])? Stookey antwortet:
Der Karfreitag (Good Friday [Guter Freitag]) war nicht „gut“ (im Sinne von „angenehm“) für Jesus – er hat unvorstellbar gelitten. Aber für uns ist er sehr gut, denn durch das, was Jesus erduldet hat, wurde unsere Erlösung gesichert – die Erlösung, die durch seine Auferstehung und Himmelfahrt vollendet wurde.
Die Gottesdienste am Karfreitag sind daher feierlich und ruhig. Es ist angemessen, dass die in diesem Gottesdienst gelesenen Bibelstellen (wie in der RCL für die Jahre A, B und C festgelegt) aus dem Evangelium des Johannes stammen. Stookey weist darauf hin, dass Johannes später geschrieben hat als die anderen Evangelienschreiber und dass Johannes den Vorteil hatte,
Mit dem Karsamstag gehen sowohl die Karwoche als auch die Fastenzeit zu Ende. Am Samstag der Karwoche lag Jesus tot in einem Grab in der Nähe des Ortes, an dem er gekreuzigt wurde. In den meisten Kirchen finden am Karsamstag keine Gottesdienste statt, aber die, die es tun, feiern einen sehr einfachen Gottesdienst mit Lesungen und Gebeten. Obwohl dieser Gottesdienst ruhig und feierlich ist, wird er in dem sicheren Wissen abgehalten, dass der Ostersonntag vor der Tür steht. Obwohl Jesus tot und begraben ist, wird er bald zu neuem, auferstandenem Leben auferstehen!
Anstelle eines Gottesdienstes am Karsamstag halten einige Kirchen am späten Samstagabend einen Gottesdienst ab, der als Osternacht bezeichnet wird. Sie beginnt in völliger Dunkelheit (als Symbol für den toten und begrabenen Jesus) und endet mit dem Einbruch des Lichts des auferstandenen Jesus. Auf diese Weise ist die Vigil (Nachtwache) eine Vorschau auf den Gottesdienst am Ostersonntag, den wir uns in einem Folgeartikel [4] ansehen werden. ❏
Erläuterungen:
[2] Die Predigten in den Gottesdiensten unserer amerikanischen Hauptkirche (GCI) richten sich nach dem Revised Common Lectionary; in Deutschland vergleichbar mit der Perikopenordnung, eine Zusammenstellung von Bibelabschnitten, den Perikopen, die zur gottesdienstlichen Lesung bzw. Auslegung in der Predigt im Laufe des Kirchenjahres vorgesehen sind.
[3] Bei der Fußwaschung handelt es sich um einen bildlichen Ausdruck für den Dienst am Nächsten. GCI/WKG verlangt von ihren Mitgliedern nicht, dass diese Redewendung buchstäblich umzusetzen ist.
[4] Artikel „Die österliche Freudenzeit“ (siehe unter Menü Artikel/Titelverzeichnis).