Die zwölftägige Weihnachtszeit
Von Jonathan Stepp
Die Geschichte von Weihnachten ist außergewöhnlich und etwas kompliziert. Da andere wichtige Kirchenfeste, z.B. der wöchentliche Sonntagsgottesdienst, Ostern und Pfingsten, in ihrer Herkunft weiter zurückliegen als Weihnachten, scheint es manchmal so, als ob das Weihnachtsfest eine neuere Erfindung ist. Wobei sich „neu“ hier auf das vierte Jahrhundert bezieht, im Gegensatz zum ersten Jahrhundert.
Die ganze Idee, die Geburt von Jesus zu feiern, wurde manchmal als absurd und lächerlich oder gar als unverschämt angesehen. Auch einige Kirchenväter, unter anderem Origenes, fanden es unpassend dieses Ereignis feierlich zu begehen. Im Jahr 1644, während des Englischen Bürgerkrieges, verbot das von Puritanern dominierte Unterhaus des Britischen Parlaments Weihnachten ganz.[1] Zwar kam Weihnachten nach einigen Jahren wieder in Mode, aber viele Puritaner werteten die Weihnachtsfeierlichkeiten noch immer als töricht ab.
Es scheint also, als ob das Weihnachtsfest eine gute Verteidigung bräuchte. Was feiern wir da eigentlich und warum? Um es zusammen zu fassen: Wir feiern den Moment, in dem der Sohn Gottes als einer von uns in die von Gott erschaffene Welt kommt und dadurch zum Menschensohn wird. Wir feiern also die erneute Geburt der Menschheit durch die Geburt des letzten Adams: Jesus Christus, Sohn Gottes, von Maria geboren.
Und warum feiern wir? Weil unsere erneute Geburt im Lichte der Geburt Jesu, unsere Adoption, die vollkommene Annahme und Errettung ist. So wie der Sohn Gottes von nun an für immer ein Teil unserer Menschlichkeit ist, so sind auch wir für immer ein Teil seiner Göttlichkeit. Das Mittel, durch welches wir als Kinder Gottes, unseres Vaters, geboren werden, ist seine Geburt als Marias Sohn.
Von daher entschuldige ich mich nicht bei Origenes und den Puritanern, dass wir diesen freudigen Moment in Gottes Plan für unsere Kindschaft feiern. Lassen wir die Feierlichkeiten beginnen!
Und lassen wir sie zwölf Tage andauern! Die zwölf Weihnachtstage sind nur ein Aspekt der Festlichkeiten, den unsere Vorfahren viel besser zelebrierten als wir es heute tun. Die frühesten Feierlichkeiten um die Geburt von Jesus waren eng mit den Feierlichkeiten zu seiner Taufe, dem Epiphanias, dem Dreikönigsfest am 6. Januar, verbunden. Mit der Zeit feierte man Jesu Geburt am 24. bzw. 25. Dezember und die zwölf Tage zwischen den beiden Festen wurden zur Weihnachtszeit.
Während des Mittelalters war Weihnachten weit mehr als nur ein eintägiges Ereignis, bei dem es abends Geschenke gab. Weihnachten begann am ersten Weihnachtsfeiertag, überdauerte die zwölf Weihnachtstage und endete am fünften Januar in der Nacht vor Epiphanias.
Ich bin der Meinung, dass es für uns als Christen an der Zeit ist, diese zwölftägige Festzeit wieder lebendig werden zu lassen. Halten Sie für einen Moment inne und machen Sie sich bewusst, was für ein erstaunliches und freudiges Ereignis wir da eigentlich feiern. Verlangt der eindrucksvolle Abstieg von Gottes Sohn in unsere Menschlichkeit nicht mehr als nur einen einzigen Tag voller Freude und Anbetung? Wenn wir über die Geburt von Jesus nachdenken, gibt es so viel zu besprechen und zu feiern – da scheint es so, als ob eine verlängerte Festzeit gerechtfertigt wäre.
Die Perikopenordnung wird von vielen Kirchen in Amerika und Deutschland verwendet, um Bibeltexte mit den Festtagen des Kirchenjahres zu verbinden. Dieses Werkzeug ermutigt und ermöglicht uns bereits eine verlängerte Weihnachtszeit zu begehen. Es kennzeichnet die Sonntage zwischen Weihnachten und Epiphanias als 1. Sonntag nach dem Christfest und 2. Sonntag nach dem Christfest und weist diesen beiden Festtagen Bibelstellen zu, die sich mit Weihnachten beschäftigen. Von daher wäre es recht einfach, für die Sonntagsgottesdienste in unseren Gemeinden die Weihnachtsfeierlichkeiten während der zwölf Tage zwischen dem ersten Weihnachtsfeiertag und Epiphanias einfach fortzusetzen.
In unserem Privatleben sind wir frei und unabhängig und haben die Möglichkeit, mit unseren Kindern während der schulfreien Zeit die Weihnachtsfeierlichkeiten zu begehen. Wir könnten uns überlegen, wie wir die aufregenden Abenteuer, die sie während der Weihnachtsferien haben werden, mit den an dauernden Feierlichkeiten verbinden. Die Abende in dieser Festzeit vom 24. Dezember bis zum 5. Januar könnten wir ganz besonders gestalten: mit Spielen, Familienzeiten und anderen Vergnügen. Wir könnten die zwölfte Nacht, die letzte feierliche Nacht vor dem Ende der Weihnachtszeit, auf ganz besondere Weise herausheben.
Jedes Jahr zu Weihnachten beklagen sich Christen über die Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes und den nicht vorhandenen Fokus auf Jesus. Trotzdem müssen wir zugeben, dass wir Christen uns manchmal zu sehr an unserem kulturellen Umfeld orientieren und uns von diesem mitreißen lassen. Unsere Kultur versteht unter Weihnachten ein eintägiges Ereignis, dem ein Monat an Einkaufstouren vorausgeht.
Warum widerstehen wir einer solchen Kultur in diesem Jahr nicht? Lassen Sie uns zum Wohl unserer Gemeinden und Familien festmachen, dass Weihnachten ein zwölftägiges Ereignis ist, dem ein Monat der Vorfreude vorausgeht. Auf diese Art Weihnachten zu begehen, macht kommerziell gesehen nicht viel Sinn. Es macht jedoch durchaus Sinn, einen Blick auf den Grund dieser Feierlichkeit werfen: die Menschwerdung Gottes und die vollkommene Aufnahme der Menschheit in die Dreieinigkeit.❏
Anmerkung:
[1] Martindale, Cyril Charles, „Christmas“ The Catholic Encyclopedia, Vol. 3. New York: Robert Appleton Company, 1908. 1. Dezember 2009; http://www.newadvent.org/cathen/03724b.htm