Gehören wir zu den „Evangelikalen“?
Vor einiger Zeit sprach ich mit einem unserer Mitglieder, das sich fragte, wo GRACE COMMUNION INTERNATIONAL (WKG Deutschland)[1] in den universalen Leib Christi einzuordnen sei. Nach der Feststellung, dass GCI nicht römisch-katholisch oder östlich-orthodox ist, fragte er: „Heißt das, dass wir protestantisch sind?“ Ich antwortete ja, und er fuhr fort: „Da wir keine liberalen oder fundamentalistischen Christen sind, bedeutet das nun, dass GCI eine evangelikale Denomination ist?“ Wiederum war meine Antwort ja, obwohl, wie ich in diesem Artikel hervorheben möchte, der Begriff „evangelikal“ weitgehend missverstanden und falsch dargestellt wird. Bitte beachten Sie hierzu folgenden Kommentar des christlichen Gelehrten und Professors Mark Noll:
Trotz der Zweideutigkeiten und Kontroversen, die den Begriff evangelikal umgeben, glaubt Professor Noll, dass er einen bleibenden Wert hat und nicht aufgegeben werden sollte. Er schlussfolgert:
In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage: Wer sollte bestimmen, wer oder was ein Evangelikaler ist? Oft wird bei der Beantwortung dieser Frage übersehen, dass der Begriff evangelikal in erster Linie zur theologischen Identifikation dient. Bevor der Begriff zur Bezeichnung von Personen angewandt wird, steht er für die gute Nachricht (das Evangelium) von Jesus. Es geht also zunächst um Jesu Botschaft und nicht um unsere – es geht an erster Stelle um ihn und nicht um uns.
Leider wissen viele in der nordamerikanischen Gesellschaft nicht, dass der Begriff evangelikal von Jesus und seinem Evangelium stammt. Stattdessen orientiert man sich an den Aussagen der Medien- und Unterhaltungsindustrie sowie der Politiker, Psychologen, Soziologen und Historikern – also der Leute, die wenig oder keine Kenntnisse über die biblischen und theologischen Hintergründe und die Bedeutung des Begriffes haben. Das Ergebnis ist Konfusion, Kontroverse und völlige Fehlinterpretation, die um diesen Begriff in unserer gegenwärtigen Gesellschaft ranken.
Das Problem wird dadurch vergrößert, dass es religiöse Leiter gibt, die sich selbst als evange- likal bezeichnen, sich aber bestenfalls am äußersten Rand dessen bewegen, was man theolo- gisch sachgerecht als evangelikal bezeichnen kann. Einige dieser Leiter sind Heuchler, die sich rechtfertigen wollen oder zur Verschleierung ihrer unchristlichen Lebensweise das Etikett evangelikal ausgewählt haben. Obwohl diese Leute zu Recht kritisiert werden, stellen die Medien Evangelikale oft als eine große Gruppe dar, deren Mitglieder weitgehend zu den Weißen, Privilegierten, Ultrarechten, Rassisten und Homophoben gezählt werden. Das traurige Resultat besteht nun darin, dass alle, die sich selbst als evangelikal bezeichnen und diesen Begriff zu Recht tragen, von den Medien über einen Kamm geschert werden, indem man sie generell mit einer Schuldzuweisung belegt.
Tatsächlich sind die Evangelikalen keine große festgefügte Gruppe – in Wirklichkeit sind sie recht unterschiedlich, auch hinsichtlich ihrer Rassen- oder ethnischen Zugehörigkeit. Gemäß NAE (National Association of Evangelicals) / LifeWay Research besteht die Gruppe der Evangelikalen aus Amerikanern, Afro-Amerikanern, Hispano-Amerikanern, weißen Amerikanern und Amerikanern anderer Herkunft.
In einem Artikel der NAE stellt Ed Stetzer fest, dass sich die Forschung zur evangelikalen Identität auf drei Merkmale konzentriert hat: Verhalten, Zugehörigkeit und Glauben. Der Artikel zitiert NAE-Präsident Leith Anderson, der bei der Erörterung der Forschungsergebnisse darauf hinweist,
In der Hoffnung, eine allgemeine Definition der evangelikalen Grundüberzeugungen zu erarbeiten, haben wir die Aussagen einer großen Anzahl von Soziologen, Theologen und evangelikalen Leitern ausgewertet. Unter Einbeziehung der Erkenntnisse dieser Leiter entwickelte LifeWay Research eine
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• Es ist mir persönlich sehr wichtig, Nichtchristen zu ermutigen, Jesus Christus als ihren Retter zu vertrauen.
• Der Tod Jesu Christi am Kreuz ist das einzige Opfer, das die Strafe für meine Sünde aufheben konnte.
• Nur diejenigen, die allein auf Jesus Christus als ihren Retter vertrauen, erhalten Gottes freies Geschenk der ewigen Erlösung.
Wir stimmen diesen Aussagen zu, obwohl wir sie in den größeren theologischen Kontext unserer ausführlichen Glaubenserklärung einordnen. Unser Einverständnis spiegelt sich durch unsere Mitgliedschaft in der National Association of Evangelicals (in den USA), der World Evangelical Alliance, der Evangelical Alliance (in Großbritannien und den Philippinen) und ähnlichen Organisationen anderswo wider. Die Überzeugungen und Ideale, die diese evangelikalen Organisationen kennzeichnen, werden in Erklärung The Capetown Commitment[3] behandelt, einem 80-seitigen Dokument, das aus den Beratungen der Dritten Lausanner Weltevangelisationskonferenz [4] hervorgegangen ist. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, was es bedeutet, evangelikal zu sein, empfehle ich Ihnen sehr, dieses Dokument (in englischer Sprache verfügbar) zu lesen.
Als Konfession, Gemeinde und Einzelperson sind wir geistlich gesund, wenn wir unseren biblisch begründeten, evangelikalen Glauben leben. In diesem Sinne schließe ich mich dem be-wundernswerten Beispiel eines unserer pensionierten Pastoren, Don Lawson an. Viele Jahre lang diente Don in unseren amerikanischen Gemeinden als Pastor und dann als Bezirksvorsteher. Nach der Pensionierung bekam Don schwere gesundheitliche Probleme. Er musste ins Krankenhaus eingewiesen werden und verbrachte dann einige Zeit zur Reha-Behandlung in einer betreuten Einrichtung. Don hat mir kürzlich eine Nachricht geschickt, in der er mir mitteilte, dass er nach Hause zurückgekehrt sei. Er schrieb mir:
Vor etwa einem Monat hat die leitende Krankenschwester für Mental-Behandlungen in der Einrichtung, wo meine Frau Sue lebt, mich gefragt, ob ich jeden Sonntag einen Gottesdienst für die Alzheimer-Patienten auf ihrer Station machen könnte. Ich habe zugestimmt und seitdem in den letzten drei Wochen zu ihnen gesprochen. Was für eine Herausforderung für einen 81-Jährigen, aber es macht mir viel Freude. Wir haben durchschnittlich 15 Teilnehmer und ich werde ihnen helfen, solange ich kann. Es ist mein Ziel, die Lehre so einfach und klar vorzutragen, dass sie es verstehen können. Ich begann in der ersten Woche mit Er kennt meinen Namen. In der zweiten: Jesus liebt mich, das weiß ich (und einige sangen mit mir). Und in der dritten: Was tut Jesus jetzt? (Ich sprach von einem Ort der ewigen Freude und des Glücks, ohne Sorgen und Tränen).
So sieht es aus, ein Evangelikaler zu sein, und das ist das Evangelium, das die Evangelikalen gerne an andere weitergeben!
Seien Sie alle durch das Evangelium gesegnet. ❏
[2] https://www.nae.net/defining-evangelicals-research/
[3] http://www.worldevangelicals.org/pdf/2011_THE_CAPE_TOWN_COMMITMENT.pdf
[4] https://www.lausanne.org/gatherings/congress/cape-town-2010-3