Führen alle Religionen zu Gott?
Vielleicht haben Sie auch schon mal den Kommentar gehört, alle Religionen führten zu Gott. Man spricht in diesem Zusammenhang von religiösem Pluralismus.
Pluralismus hat zwei Erscheinungsformen. Zum einen ist damit gemeint, dass wir in einer Gesellschaft mit vielen Kulturen und vielen Religionen leben und dass eine jede unsere Achtung verdient. Das ist richtig und gut so. Wir sollen tolerant sein, doch heißt dies nicht, dass wir mit jeder Meinung übereinstimmen müssen. Zum anderen gibt es den religiösen Pluralismus, der darüber hinaus geltend macht, alle Religionen seien gleichermaßen gültig. Wie steht es damit? Sind wirklich alle Religionen gültige Wege zu Gott?
Zunächst müssen wir definieren, was Religion eigentlich bedeutet. Handelt es sich beim Taoismus um eine Religion oder nur um eine Lebensphilosophie? Und wie ist die Glaubensrichtung des Buddhismus einzuordnen, der zufolge es keinen Gott gibt? Ist das eine Religion? Oder der Satanismus, dessen Anhänger zwar die Existenz eines Gottes anerkennen, aber nichts mit ihm zu tun haben wollen? Führen alle diese Religionen zu Gott, ob sie es nun wollen oder nicht?
Wer da meint, alle Religionen führten zu Gott, ist häufig bereit, so gut wie alle geistigen Strömungen als Religion zu akzeptieren. Das eigentliche Ziel scheint zu sein, keiner Glaubensrichtung ihre Gültigkeit abzusprechen. Folglich wird behauptet, jeder werde letztlich zu Gott kommen, unabhängig davon, zu welcher Religion man sich bekenne oder ob man überhaupt religiös sei. Bei der oben genannten Konzeption, der zufolge alle Religionen zu Gott führen, geht es also im Grunde genommen gar nicht um Religionen – es geht um den Glauben, jeder Mensch, unabhängig von seiner Glaubensrichtung, werde errettet (Universalismus).
Aber mit dieser Konzeption ist ein weiteres Problem verbunden: Verschiedene Religionen haben unterschiedliche Vorstellungen von Gott. Manche Religionen fördern spirituelle, andere eher physische Vorstellungen, wieder andere kennen keinen Gott. Manche Religionen haben viele Götter, einige haben einen Gott, manche haben keinen Gott. Und manche Leute wollen gar nicht zu Gott kommen – ihnen würde die Vorstellung, auch gegen ihren Willen zu ihm zu gelangen, nicht behagen.
Hinzu kommt, dass jede Religion ihre eigene Vorstellung von Erlösung hat. Für manche Religionen bedeutet Erlösung das Nichts, ein Ende allen individuellen Bewusstseins. Für andere impliziert Erlösung individuelles Bewusstsein in alle Ewigkeit. Es ist schwer zu sehen, wie diese beiden Lehren in dieselbe Richtung führen können. Wenn jemand sagt, alle Religionen führten zu Gott, können wir zurückfragen: „Wo her weißt du das? Hast du sie alle geprüft und jedes Mal am Ende Gott gefunden?“
Wer behauptet, alle Religionen führten zu Gott, nimmt für sich in Anspruch, es besser zu wissen als Muslims und Hindus und alle anderen. Der Muslim sagt, nur der Islam führe zu Gott, und der Pluralist sagt: „Nein, da sind Sie im Irrtum. Lassen Sie sich von mir eines Besseren belehren, denn ich weiß mehr als Sie. Alle Religionen mögen gut sein, aber meine ist besser als alle anderen.“ Woher will der Pluralist das wissen? Auf welche Autorität beruft er sich? Gewöhnlich doch nur auf sich selbst. Er ist sich selbst die religiöse Autorität. Er hat darüber entschieden, was richtig ist; an den Fakten, was eine bestimmte Religion glaubt oder tut, ist er nicht interessiert.
Verschiedene Religionen stehen in Widerspruch zueinander. Die Logik sagt, sie könnten allesamt falsch sein, aber die Logik sagt auch, dass sie nicht alle richtig sein können. Trotzdem behauptet der Pluralist, alle Religionen seien richtig. Widersprüchliche Auffassungen sind richtig. Der Glaube an Jesus ist genauso richtig wie der Glaube an Mohammed, obwohl weder die Christen noch die Muslime dem zustimmen würden.
Paulus schrieb, den ungläubigen Heiden würde Gottes Gnade nur über einen Weg zuteil – durch das Evangelium Jesu Christi; dazu aber müssten sie sich von ihren alten Religionen lösen. Ihre heidnischen Religionen seien nichtig – unwirksam (Röm 1,20-23). Gott hat sich allen Menschen offenbart, so dass sie „keine Entschuldigung haben“ (Verse 18-20).
Paulus wusste, dass viele Menschen noch nicht von Christus gehört hatten. Dennoch sagte er, sie könnten Unwissenheit nicht als Entschuldigung anführen. Ein jeder begehe Sünden und könne für seine Sünden zur Verantwortung gezogen werden (Röm 2,14-15). Paulus schrieb auch, Gott lasse die Menschen im Ungehorsam, so dass er ihnen allen durch Jesus Christus Gnade erweisen könne (Röm 3,5). Wie will er das tun? Die Bibel nennt keine Einzelheiten.
Es ist Gottes Wille, dass alle Menschen zu ihm kommen (1.Tim 2,4), aber damit ist nicht gesagt, dass alle Religionen gültig sind. Es gibt gute Menschen in allen möglichen Religionen, aber Erlösung hat nichts mit menschlichem Gutsein zu tun. Vielmehr geht es darum, eins zu sein mit Jesus Christus, dem Schöpfer und Erlöser aller Dinge.
Die meisten Religionen lehren uns die eine oder andere Form von Werken – wenn wir dies und jenes tun und es obendrein noch gut genug tun, dann gelangen wir schließlich zu Gott. Das Evangelium sagt uns, dass derartige Ansätze nicht funktionieren. Wir Menschen können niemals durch unsere Werke zu Gott finden. Vorschriften können niemanden erlösen oder näher an Gott heranführen. Das Evangelium lehrt uns einen anderen Weg zur Erlösung als andere Religionen. Die zentrale Aussage des Evangeliums ist die, dass unsere Werke uns nicht zu erlösen vermögen – und das bedeutet nichts anderes, als dass uns Religionen nicht erlösen können. Die Gläubigen anderer Religionen bedürfen der Gnade, so wie wir der Gnade bedürfen, und Gnade finden wir nur im Evangelium Jesu Christi.
Ein Grund für die Attraktivität des Pluralismus ist darin zu sehen, dass im Namen der Religion schon viel Unrecht begangen worden ist. Religiöse Differenzen arten zuweilen in Religionskriege aus. Deshalb meinen viele Menschen, dieser Gewalt sei am besten ein Ende zu setzen, wenn jeder die Religion des anderen akzeptiere ... dann hätten wir endlich Einheit und Frieden.
Eine solche Sichtweise ist naiv. Die verschiedenen Religionen sind in Abgrenzung gegen andere Religionen entstanden und daran wird auch kein Wunschdenken etwas ändern. Die Unterschiede in den Religionen sind ebenso sehr Folge menschlicher Entzweiung, wie sie Ursache derselben sind. Im Pluralismus gibt es kein Fundament für die Wahrheit – keinen Anlass, dem zustimmen, es sei denn, auf Verlangen der Pluralisten.
Ich will keineswegs behaupten, dass alle Muslime und Hindus verloren wären. Was am Tag des Jüngsten Gerichts geschieht, liegt in Gottes Ermessen; wir aber wissen aus der Bibel, dass Gott sich den Menschen offenbart und sie erlöst durch Jesus Christus, nicht aber durch ihre Religionen. Gott mag sie trotz ihrer Religionen erlösen, aber nicht wegen derselben. Wen Gott erlöst, den erlöst er dadurch, dass er ihn in die Gemeinschaft Christi aufnimmt.
Ebenso wenig will ich behaupten, dass alle Christen erlöst würden. Die Tatsache, dass sich so mancher als Christ bezeichnet, bedeutet noch lange nicht, dass er auf Jesus Christus und seine Gnade und Erlösung vertraut. Das Evangelium richtet sich an Menschen, die erkennen, dass sie der Gnade Gottes bedürfen, und die darauf vertrauen, dass Christus ihnen diese Gnade schenkt und ihr Leben zu ihm als ihrem Herrn und Meister wendet.
Gleich, ob jemand Buddhist oder Christ ist: Der einzige Weg zur Erlösung ist der, das Geschenk anzunehmen, das uns Gott ausschließlich durch Jesus Christus zuteilwerden lässt. Der Hinduismus sagt, nicht alle Hindus würden erlöst; der Islam sagt, nicht alle Muslime würden erlöst; und das Christentum sagt, nicht alle Christen würden erlöst. Da erscheint es doch lächerlich, dass ein Pluralist meint, beispielsweise alle Hindus würden erlöst, wenn nicht einmal die Hindus selbst davon überzeugt sind. Der Pluralist widerspricht den Religionen, die zu schützen er bemüht ist: Der Versuch, allen Religionen Gültigkeit zuzusprechen, führt letztlich zu der Aussage, dass alle Religionen irren.
Pluralisten haben häufig Schwierigkeiten mit den einzigartigen Lehren des Christentums, weil die christlichen Aussagen über Jesus für Muslime vielfach inakzeptabel sind. Aber Pluralisten haben häufig auch Schwierigkeiten mit den Aussagen über Mohammed, weil auch diese Aussagen gegenseitige Nicht-Akzeptanz verursachen. Deshalb sind die Vertreter des Pluralismus häufig bemüht, den kleinsten gemeinsamen Nenner der Religionen ausfindig zu machen und alles, was einzigartig ist, unbeachtet zu lassen.
Meistenteils sind Religionsgemeinschaften an der Erlösung von Menschen, die sich zu anderen Religionen bekennen, nicht sonderlich interessiert. Die meisten Religionen kennen keinen Gott, der die ganze Welt liebt. Die pluralistische Vorstellung, Gott müsse auch die Gläubigen anderer Religionsgemeinschaften erlösen, wurzelt letztlich in der christlichen Lehre, dass Gott die ganze Welt liebt.
Die beste Antwort auf den Pluralismus ist die Erläuterung unseres Glaubens. In der Alltagssprache ausgedrückt sagt das Evangelium:
Christi Kreuzigung zeigt uns, wie schrecklich Fehlverhalten ist; sie vermittelt uns aber auch die Zuversicht, dass der Preis dafür bezahlt wurde. Christi Tod am Kreuz beweist, dass uns vergeben worden ist; seine Auferstehung beweist, dass er unsere Erlösung ist. Gott ist zu uns gekommen und hat uns erlöst, weil wir uns nicht selbst erlösen können. Wir brauchen diese Erlösung, und das Evangelium Jesu Christi lehrt uns, dass Gott uns gegeben hat, was wir brauchen.
Das ist die gute Nachricht; wir können der Güte Gottes vertrauen, im Gegensatz zur flüchtigen Güte menschlicher Wesen. Wir können Gott vertrauen, dass er nicht nur uns erlöst, sondern auch die Menschen anderer Religionsgemeinschaften, die letztlich ihr Vertrauen in Christus setzen. Wir wissen nicht genau, wie und wann Gott sie zu sich zieht, aber wir vertrauen auf die Gnade und Güte Gottes, weil wir wissen, dass er der Vater Jesu Christi ist, des Erlösers der Welt. ❏