Unseren Osterglauben leben
Von Santiago Lange

Jesu Jünger versammelten sich am ersten Ostermorgen nicht, um ihn aus dem Grab willkommen zu heißen. Verschwommen war für sie vorübergehend sein Versprechen, er würde am dritten Tag aus dem Grab auferstehen. Der Apostel Paulus schrieb später in seinem Brief an die Korinther, dass Christus den Tod, den letzten Feind, besiegt hat. Es ist klar, dass dies nicht die Erwartung seiner Freunde und Jünger an diesem ersten Ostermorgen war. Ihre Herzen waren schwer von Trauer und Enttäuschung.

Die Jünger hatten Jesu Versprechen vergessen, dass er zu ihnen zurückkehren würde. Sie wussten nur, dass ihr Herr tot war und mit ihm all ihre Hoffnungen, Träume und Sehnsüchte. Sie wurden beinahe erdrückt von ihrem Verlustgefühl. Doch das ist nicht das Ende der Geschichte. Wenn es so wäre, hätten wir keine Hoffnung. Die Frauen machten sich früh am Morgen auf den Weg zum Grab, um Jesu Leib einzusalben. Dort fanden sie den Stein vom Grab weggerollt und zwei Männer in glänzender Kleidung, die zu ihnen sagten: »Was sucht ihr den Lebendigen bei den Toten? Er ist nicht hier; er ist auferstanden. Erinnert euch an das, was er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war: ›Der Menschensohn muss in die Hände sündiger Menschen gegeben und gekreuzigt werden und wird drei Tage danach auferstehen.‹« Da erinnerten sie sich an Jesu Worte und kehrten zurück, um den elf Aposteln und den anderen Jüngern Jesu zu sagen: "Er lebt! Er lebt! Er hat den Tod besiegt, wie er sagte."

Was bedeutet Ostern in unserem Leben? Bedeutet das nicht zuerst, dass wir den Tod nicht mehr fürchten müssen? Wir sind oft verwirrt in unserer Einstellung zur Sterblichkeit. Wir wurden für das Leben geschaffen, nicht für den Tod. Niemand, der gesund ist, freut sich auf das Sterben. Das ist der springende Punkt. Gott hat uns nicht nur für diese Welt ins Leben gerufen. Christus hat uns gezeigt, dass der Tod für ihn kein unbesiegbarer Feind ist. Jesus hat den Tod durch seine Auferstehung besiegt. Weil Christus lebt, werden auch wir einst leben.

Ostern zeigt uns, dass wir keine Angst mehr vor dem JETZT haben müssen. Was nützt uns das Leben, wenn wir unsere Würde als Menschen verlieren? Es gibt Dinge in dieser Welt, die uns kostbarer sind als das physische Leben. Was hat uns Ostern zu sagen, wenn wir uns unseren täglichen Herausforderungen mit seinen Herzschmerzen und Enttäuschungen, seinen Schmerzen und Frustrationen stellen? Es sagt vor allem, dass Gott in seiner geschaffenen Welt aktiv ist. Der Gott des leeren Grabes ist auch der Gott des Exodus, des Auszugs. Gott ist nicht weit weg von unseren Nöten. Der Gott der Bibel ist eng mit seiner Schöpfung und seinen Geschöpfen verbunden. Für Christen sind das Sterben und der Tod ein vorübergehender Zustand. Dies unterbricht die Beziehung zu Gott durch Jesus Christus nicht, die schon lange vorher begonnen hat.

Der traurige Christ ist derjenige, der glaubt, dass der Glaube einfach ein Ticket in einen fernen Himmel erkauft. Ein solcher Glaube kann schnell zur Unterdrückung durch Legalismus führen.
Der christliche Glaube ist eine letztendliche Liebesaffäre mit dem „wahren Leben“.

Gott ist transzendent, von ewig – unendlicher Wirklichkeit, aber auch immanent, denn er lebt trotz seiner Unsichtbarkeit in der Welt. Jesus trat in die Geschichte ein. Er wurde sogar einer von uns. Bei Ostern geht es um den Sieg, nicht um Verhängnis und Verzweiflung. Wir teilen diese Freude. Ostern ist die Feier dieser triumphalen Realität. Ostern sagt uns auch, dass Menschen wichtig sind.

Warum ist es wichtig, an die Auferstehung der Toten zu glauben? Sicherlich nicht nur, damit wir an Gott glauben. Es gibt Menschen, die an Gott glauben, jedoch nicht an Ostern. Deshalb stehen Gottes Macht und seine Allmacht nicht wirklich auf dem Spiel. Was auf dem Spiel steht, ist, ob unser Leben eine Bedeutung, einen Wert und eine Hoffnung hat. Leben wir nur für eine Zeitspanne und hören dann für immer auf, zu existieren? Oder sind wir in Gottes Augen so bedeutsam, dass auch der Tod uns nicht von seiner Liebe trennen kann? Bei der Auferstehung geht es in einem sehr realen Sinne auch um uns! Als Christen sollte jeder Tag für uns ein geistgeleitetes Spiegelbild unseres Osterglaubens sein.

Nun, wie könnten wir unseren Osterglauben ausleben? In einem „Brief" [1] an einen bestimmten „Diognetus" erhalten wir einen uralten, aber sehr aufschlussreichen Blick. Der Absender, im fünften Kapitel seines Briefes als „Mathetes" bezeichnet, beschreibt einem „neugierigen Fragesteller" das „Ausleben von Ostern" wie folgt....

„Denn die Christen sind weder durch Heimat noch durch Sprache und Sitten von den übrigen Menschen verschieden. Sie bewohnen nirgendwo eigene Städte, bedienen sich keiner abweichenden Sprache und führen auch kein absonderliches Leben. Keineswegs durch einen Einfall oder durch den Scharfsinn vorwitziger Menschen ist diese ihre Lehre aufgebracht (vorgetragen) worden und sie vertreten auch keine menschliche Schulweisheit wie andere. Sie bewohnen Städte von Griechen und Nichtgriechen, wie es einem jeden das Schicksal beschieden hat, und fügen sich der Landessitte in Kleidung, Nahrung und in der sonstigen Lebensart, legen aber dabei einen wunderbaren und anerkanntermaßen überraschenden Wandel in ihrem bürgerlichen Leben an den Tag. Sie bewohnen jeder sein Vaterland, aber nur wie Beisassen; sie beteiligen sich an allem wie Bürger und lassen sich alles gefallen wie Fremde; jede Fremde ist ihnen Vaterland und jedes Vaterland eine Fremde. Sie heiraten wie alle andern und zeugen Kinder, setzen aber die geborenen nicht aus. Sie haben gemeinsamen Tisch, aber kein gemeinsames Lager. Sie sind im Fleische, leben aber nicht nach dem Fleische. Sie weilen auf Erden, aber ihr Wandel ist im Himmel. Sie gehorchen den bestehenden Gesetzen und überbieten in ihrem Lebenswandel die Gesetze. Sie lieben alle und werden von allen verfolgt. Man kennt sie nicht und verurteilt sie doch, man tötet sie und bringt sie dadurch zum Leben. Sie sind arm und machen viele reich; sie leiden Mangel an allem und haben doch auch wieder an allem Überfluss; sie werden missachtet und in der Missachtung verherrlicht; sie werden geschmäht und doch als gerecht befunden. Sie werden gekränkt und segnen, werden verspottet und erweisen Ehre. Sie tun Gutes und werden wie Übeltäter gestraft; mit dem Tode bestraft, freuen sie sich, als würden sie zum Leben erweckt. Von den Juden werden sie angefeindet wie Fremde, und von den Griechen werden sie verfolgt; aber einen Grund für ihre Feindschaft vermögen die Hasser nicht anzugeben“.

Der Osterglaube ist nicht nur ein einmaliges Ereignis, er ist unser täglicher christlicher Ausdruck. Er ist die Überzeugung, dass die Menschen Gott so viel bedeuten, dass er seinen eigenen Sohn in unserem Namen gab; dass er ihn am Kreuz für unsere Sünden kreuzigen ließ und ihn am dritten Tag als Zeichen und Symbol dafür, dass unser Leben von ewiger Bedeutung ist, aus dem Grab erhob. Ostern ist sowohl in dieser Welt als auch in der kommenden Welt ein Gedanken- und Lebenswandel.

Möge die Liebe Gottes unsere Herzen erfüllen und die Menschen um uns herum berühren, während wir täglich unseren Osterglauben leben.

Anmerkungen
[1] Der Brief an Diognetus ist ein frühchristliches apologetisches Werk, das wahrscheinlich aus dem 2. oder 3. Jahrhundert n. Chr. stammt. Es wird oft mit den Werken der apostolischen Väter, der griechischen christlichen Schriftsteller des späten 1. und frühen 2. Jahrhunderts oder genauer gesagt, mit den frühen Apologeten (vor allem aus dem 1. Jahrhundert) in Verbindung gebracht. Sowohl die angesprochene Person als auch der Autor des Werkes sind unbekannt, obwohl einst der Apologet Justin der Märtyrer fälschlicherweise als Autor angesehen wurde. Das Werk überlebte die Antike in einer Handschrift aus dem 13. und 14. Jahrhundert, die 1870 in Straßburg durch einen Brand zerstört wurde. [Quelle: The Encyclopaedia Britannica]


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