Am Morgen des ersten Ostersonntags standen die Jünger Jesu nicht vor seinem Grab, um ihn als den Auferstandenen willkommen zu heißen. Tatsächlich waren sie während der bisherigen gemeinsamen Zeit mit Jesus gar nicht in der Lage gewesen, zu verstehen, was seine wiederholten Ankündigungen bedeuteten, dass er am dritten Tag von den Toten auferstehen würde (Lk 18,33-34).
Seine Freunde und Jünger hatten seine Auferstehung nicht erwartet. Statt von freudiger Erwartung waren sie erfüllt von Trauer und Enttäuschung. Die Jünger hatten erlebt, dass ihr Herr und Meister getötet wurde, und verstanden nur, dass mit ihm auch all ihre Hoffnungen, Träume und Sehnsüchte gestorben waren. Sie waren von ihrem Verlust überwältigt. Doch das war nicht das Ende der Geschichte. Wenn es so gewesen wäre, hätten wir keine Hoffnung.
Unter Jesu Nachfolgern waren auch viele Frauen (Lk 8,1-3; 23,55). Einige machten sich früh am Morgen auf den Weg zum Grab, um Jesu Leib einzusalben. Dort angekommen fanden sie den Stein vom Grab weggerollt. Es traten zwei Männer in glänzenden Kleidern zu ihnen, die sagten: „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden. Gedenkt daran, wie er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war und sprach: Der Menschensohn muss überantwortet werden in die Hände der Sünder und gekreuzigt werden und am dritten Tage auferstehen.“ Da gedachten sie an seine Worte und gingen wieder weg vom Grab und verkündigten das alles den Elf und allen andern Jüngern (Lk 24,1-9).
Was bedeutet Ostern in unserem Leben? Es bedeutet vor allem, dass wir keine Angst mehr vor dem Tod haben müssen! Wir sind oft verwirrt in unserer Einstellung zur Sterblichkeit. Wir wurden für das Leben geschaffen, nicht nur für ein kurzes Dasein. Niemand, der geistig und körperlich gesund ist, freut sich auf den Tod. Und genau darum geht es. Gott hat uns nicht nur für diese Welt geschaffen. Christus hat uns gezeigt, dass der Tod für ihn kein unbesiegbarer Feind ist. Der Apostel Paulus schrieb in seinem Brief an die Korinther, dass Jesus durch seine Auferstehung den Tod, den letzten Feind, besiegt hat. Weil Christus lebt, werden auch wir leben.
Ostern zeigt uns auch, dass wir keine Angst mehr vor dem Leben haben müssen. Was nützt uns das Leben, wenn wir unsere Würde als Menschen verlieren? Es gibt Dinge in dieser Welt, die uns kostbarer sind als das physische Leben. Was hat uns Ostern zu sagen, wenn wir uns den täglichen Herausforderungen, den Schmerzen und Enttäuschungen unseres Lebens stellen? Ostern sagt uns vor allem, dass Gott, der die Welt geschaffen hat, sich auch aktiv um seine Welt kümmert. Er existiert nicht irgendwo weit weg von unserem menschlichen Alltag. Er, der Gott des leeren Grabes, ist auch der Gott des Exodus, des Auszugs. Der Gott der Bibel ist eng mit seiner Schöpfung und seinen Geschöpfen verbunden. Für Christen ist das Sterben eine vorübergehende Unannehmlichkeit. Es unterbricht nicht unsere Beziehung zu Gott durch Jesus Christus, die schon längst besteht.
Ein trauriger Christ ist einer, der meint, dass der Glaube einfach dazu dient, sich eine Eintrittskarte in einen weit entfernten Himmel kaufen zu können. Ein solcher Glaube, der auf Gesetzlichkeit beruht, kann schnell zu einer sehr bedrückenden Lebensweise führen. Der christliche Glaube ist letztendlich eine Liebesbeziehung mit Christus, dem „wahren Leben“.
Gott ist transzendent und immanent in der Welt wirkend. Jesus trat in die Geschichte ein. Er wurde sogar einer von uns. Bei Ostern geht es um den Sieg über den Tod und ewiges Leben, nicht um Verhängnis und Verzweiflung. Wir teilen diese Freude. Ostern ist die Feier dieser triumphalen Realität. Ostern sagt uns auch, wie wichtig Menschen für Gott sind.
Warum ist es so wichtig, an die Auferstehung der Toten zu glauben? Sicherlich nicht nur, damit wir an Gott glauben können. Es gibt Menschen, die an Gott glauben, jedoch nicht an Ostern. Für sind Gottes Kraft und seine Allmacht nicht wirklich von Bedeutung. Worauf es wirklich ankommt, ist, ob unser Leben eine Bedeutung, einen Wert und eine Hoffnung hat. Leben wir nur für eine kurze Zeitspanne und hören dann für immer auf zu existieren? Oder sind wir in Gottes Augen so bedeutsam, dass auch der Tod uns nicht von seiner Liebe trennen kann? Bei der Auferstehung geht es in einem sehr realen Sinne um uns alle! Als Christen sollte jeder Tag für uns ein durch den Heiligen Geist geleitetes Spiegelbild unseres Osterglaubens sein.
Nun, wie mag ein „Leben im Osterglauben“ aussehen? In einem „Brief“ [1] an einen gewissen „Diognetus“ erhalten wir einen aus weit zurückliegender Vergangenheit stammenden, aber sehr aufschlussreichen Einblick. Der Absender, im fünften Kapitel seines Briefes als „Mathetes“ bezeichnet, beschreibt einem neugierigen Fragesteller das „Leben der Christen im Osterglauben“ wie folgt ...
„Denn die Christen sind weder durch Heimat noch durch Sprache und Sitten von den übrigen Menschen verschieden. Sie bewohnen nirgendwo eigene Städte, bedienen sich keiner abweichenden Sprache und führen auch kein absonderliches Leben. Keineswegs durch einen Einfall oder durch den Scharfsinn vorwitziger Menschen ist diese ihre Lehre aufgebracht (vorgetragen) worden und sie vertreten auch keine menschliche Schulweisheit wie andere. Sie bewohnen Städte von Griechen und Nichtgriechen, wie es einem jeden das Schicksal beschieden hat, und fügen sich der Landessitte in Kleidung, Nahrung und in der sonstigen Lebensart, legen aber dabei einen wunderbaren und anerkanntermaßen überraschenden Wandel in ihrem bürgerlichen Leben an den Tag. Sie bewohnen jeder sein Vaterland, aber nur wie Beisassen; sie beteiligen sich an allem wie Bürger und lassen sich alles gefallen wie Fremde; jede Fremde ist ihnen Vaterland und jedes Vaterland eine Fremde. Sie heiraten wie alle andern und zeugen Kinder, setzen aber die geborenen nicht aus. Sie haben gemeinsamen Tisch, aber kein gemeinsames Lager. Sie sind im Fleische, leben aber nicht nach dem Fleische. Sie weilen auf Erden, aber ihr Wandel ist im Himmel. Sie gehorchen den bestehenden Gesetzen und überbieten in ihrem Lebenswandel die Gesetze. Sie lieben alle und werden von allen verfolgt. Man kennt sie nicht und verurteilt sie doch, man tötet sie und bringt sie dadurch zum Leben. Sie sind arm und machen viele reich; sie leiden Mangel an allem und haben doch auch wieder an allem Überfluss; sie werden missachtet und in der Missachtung verherrlicht; sie werden geschmäht und doch als gerecht befunden. Sie werden gekränkt und segnen, werden verspottet und erweisen Ehre. Sie tun Gutes und werden wie Übeltäter gestraft; mit dem Tode bestraft, freuen sie sich, als würden sie zum Leben erweckt. Von den Juden werden sie angefeindet wie Fremde, und von den Griechen werden sie verfolgt; aber einen Grund für ihre Feindschaft vermögen die Hasser nicht anzugeben.“
Der Osterglaube zeigt sich nicht nur an einem Festtag, er ist jeden Tag Ausdruck unseres Christseins. Er ist die Überzeugung, dass die Menschen Gott so viel bedeuten, dass er seinen eigenen Sohn für uns hingab; dass er zuließ, ihn am Kreuz für unsere Sünden zu kreuzigen und dass er ihn am dritten Tag von den Toten auferweckte als Zeichen und Symbol dafür, dass unser Leben von ewiger Bedeutung ist. Ostern verändert sowohl das Denken als auch das Leben in dieser Welt und in der kommenden Welt.
Möge die Liebe Gottes unsere Herzen erfüllen und die Menschen um uns herum berühren, während wir täglich in unserem Osterglauben leben. ❏