Stellungnahme zur Strafsubstitution

Von Santiago Lange

Die protestantische Reformation verbreitete mit der „Strafsubstitution“ eine besondere Auffassung zur Versöhnungslehre. Während die Idee eines „stellvertretenden Sühneopfers" sicherlich ein legitimes biblisches Konzept ist, bei dem eine Parallele von den Tempelopfern zum Tod Christi für uns am Kreuz gezogen wird, birgt der Gedanke einer „Strafsubstitution" gefährliche Verzerrungen, die wir erkennen und ablehnen müssen.

Diese nach dem Strafsubstitutionsmodell bzw. nach der Satisfaktionslehre irregeleitete Auffassung behauptet im Grunde genommen, dass wir alle schuldig sind, das Gesetz gebrochen zu haben, welches wir ohnehin nicht einhalten können. Wir sind daher, so sagt dieses Modell weiter, der Todesstrafe angeklagt, denn „der Sünde Sold ist der Tod". Das sind die Regeln, und die Regeln müssen eingehalten werden. Gott verlangt Blut, weil das Gesetz Blut verlangt. Es muss eine Strafe bezahlt werden, und die einzige angemessene Bezahlung, die ausgereicht hätte, ist das Opfer von jemandem, der „das Gesetz perfekt gehalten hat", jemand, der ein perfektes Leben ohne Sünde führen konnte. Und hier kommt nun die schleichend auftretende und abstoßende Verdrehung: Gott entschied in seinem Zorn, seinen eigenen Sohn am Kreuz zu töten, um seinen heiligen Zorn und sein gesetzmäßiges Bedürfnis nach Blut zu besänftigen. Und jetzt, da Jesus geopfert worden ist, ist Gott nicht mehr wütend auf unser sündhaftes Verhalten, so dass wir jetzt zu ihm kommen und für immer mit ihm leben können, natürlich vorausgesetzt, dass wir ihm für seine Barmherzigkeit uns gegenüber dankbar sind.

Die „Strafsubstitution" ist eine systematische Theorie des Kreuzes, die sich auf einen gesetzlichen Rahmen stützt und sich auf die Vorstellung konzentriert, dass Gott besänftigt oder befriedigt werden muss, bevor er vergeben kann, ähnlich wie bei den heidnischen Göttern. Die Satisfaktionslehre konzentriert sich auf Rechtsbegriffe wie Gottes Gesetz, Strafe, Gerechtigkeit, Bezahlung und Schuld. Bereits im Mittelalter galten rationalistische Theorien und Rechtssysteme als die höchste Denkweise.

Eine der schwerwiegendsten Verzerrungen, die heutzutage in der evangelikalen Gemeinschaft kursiert, ist ein falsches Verständnis von „Gottes Zorn". Wir haben uns von Gott ein eigenes Bild gemacht, und so sind wir allzu oft versucht zu glauben, dass Gottes Zorn in irgendeiner Weise unserem eigenen „menschlichen Zorn" ähneln muss. Lasst uns verstehen, dass der „Zorn Gottes" nicht auf das Kind oder die Kinder abzielt, die er liebt, sondern auf die Sünde, die die Menschheit davon abhält, die Art von Liebesbeziehung zu erfahren, die Gott gerne mit der ganzen Menschheit haben möchte. Der „Zorn Gottes" ist die „feurige Leidenschaft", die der Vater für jeden einzelnen von uns hat. Gott ist für uns, nicht gegen uns. Gott ist bestrebt, jedes Hindernis zu zerstören, das uns daran hindert, vollständig mit ihm versöhnt zu werden.

Der Vater wird in dieser Sache nicht nachgeben. Gott ist nicht für „vergeltende“ Gerechtigkeit, sondern für „wiederherstellende“ Gerechtigkeit. Sünde ist zweifellos eine ernste und tödliche Krankheit, aber Jesus, der Gnade IST, ist das Heilmittel. Die Werke der Versöhnung können nicht von der Person Christi getrennt werden. In einem sehr realen Sinn begann die Versöhnung vor der Gründung der Welt und wurde in der Menschwerdung Christi verwirklicht, beginnend im Schoß Marias. In Jesus und unserer Vereinigung mit ihm wurde jeder Abschnitt des menschlichen Lebens versöhnt durch das vollständige Erlösungswerk, einschließlich der Geburt, des Todes, der Auferstehung und der Himmelfahrt unseres Herrn.


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