Gottes Vision umsetzen

Von Santiago Lange

Bartimäus, der blinde Mann, saß am Straßenrand. Jeden Tag kam er dorthin, um ein paar Münzen zu erbetteln. Als er so am Straßenrand weilte, kamen Jesus und seine Jünger vorbei. Bartimäus hörte den Lärm und erkundigte sich, wer da kommt. Man sagte ihm, es sei Jesus, der Nazarener. Er hatte von diesem Jesus gehört. Einige behaupteten, er sei der Messias. Er hatte von seinen Wundern gehört. Sollte er nach Jesus rufen? Es galt: jetzt oder nie.

Wie groß muss sein Wunsch gewesen sein, wieder sehen zu können? Wir können uns kaum vorstellen, wie sehr wir uns das wünschen würden, wenn wir unsere Sehkraft verloren hätten. Wenn wir blind und vermögend wären, würden wir unseren Reichtum wahrscheinlich gerne gegen ein neues, gesundes Augenpaar tauschen. Wie sehr schätzen wir doch unser physisches Sehvermögen!

Aber es gibt noch eine andere Art von Sehvermögen, von der die Heilige Schrift spricht. Sie ist in vielerlei Hinsicht wichtiger als unsere physische Sehkraft. Die Bibel nennt es „Vision".

In Sprüche 29,18 heißt es: „Wo keine Vision (Offenbarung) ist, da geht das Volk zugrunde." Hier ist von einer Vision die Rede, die über unsere biologische Fähigkeit zu sehen hinausgeht. Und es ist diese Art von Vision, die wir heute in der Kirche Jesu so dringend brauchen. Das Leben kann entweder eine zufällige Reise ohne wirkliche Richtung sein oder ein sinnvolles Abenteuer mit großem Ziel. Es ist die in den Sprüchen genannte Vision, die den Unterschied ausmacht.

Das Wort, das in den Sprüchen für Vision verwendet wird, bezieht sich auf eine Offenbarung von Gott. Es geht um Gottes Vision, Gottes Richtung und Gottes Führung in unserem Leben. Es handelt von spezifischer Führung, die uns von Gott für unser Leben gegeben wurde. Diese Vision ist das Bild einer erwünschten Zukunft. Es ist ein Bild, das durch den Glauben gesehen werden kann und zwar, was noch nicht ist, aber sein kann, ja was gemäß Gott sein soll.

Sprüche 29,18 besagt, dass wir ohne Vision „zugrunde gehen“. In einigen Übersetzungen wird „zugrunde gehen“ mit „zügellos“ wiedergegeben. Auch wurde es mit „undiszipliniert“ oder „gesetzlos“ oder „unfruchtbar gemacht“ übersetzt. Da diese Wörter in den Sprüchen verwendet werden, weisen sie darauf hin, dass wir etwas durch unsere Finger gleiten lassen, weil wir eine sich bietende Gelegenheit nicht nutzen. Mit anderen Worten, ohne eine klare Vision, die uns leitet, scheitern wir auf tragischste Weise, da wir versäumen, was Gott uns geben möchte. Die nicht genutzte Gelegenheit beschränkt uns und wir laufen Gefahr, ein ungeordnetes Leben zu führen.

Die Art von Vision, die wir brauchen, ist eine Vision, die uns einen echten und dauerhaften Zweck für unser Leben gibt. Sie ermöglicht es, unseren Sinn im Leben darin zu finden, bei der Verbreitung des Evangeliums mitzuhelfen. Es ist die Art von Vision, die uns Stabilität und Führung, Freude und Begeisterung bringt. Es ist die Art göttlicher Motivation, die Christen zu engagierten Arbeitern für das Evangelium macht.

Wir brauchen diese Art von Vision, sowohl als Einzelne als auch als Kirche. Wir müssen verstehen, dass es eine oberste, übergeordnete Ursache gibt, der wir uns widmen sollten. Sie ist der Grund dafür, dass Jesus die Welt erreicht. Sie ist der Grund dafür, Menschen mit der guten Nachricht von Christus in einer Weise zu erreichen, dass sie durch sie für immer verändert werden. Sie ist der Grund dafür, dass Menschen eine Beziehung mit Jesus Christus eingehen und die Gemeinschaft der Ortsgemeinde suchen, in der sie vom Heiligen Geist zu Jüngern gemacht werden können. Sie ist der Grund dafür, Gott zu ehren und in seine ewige Bestimmung für uns hinein zu kommen. Wir müssen uns mit nicht weniger zufriedengeben. Dies ist die Art von Vision, die unsere Kirchen dazu bringen kann, dynamisch und lebendig zu werden.

Sind wir offen für neue Möglichkeiten, die Gott uns zeigen kann? Sind wir bereit, uns einzusetzen und für ihn dorthin zu wagen, wohin wir vielleicht noch nie gegangen sind? Um die Macht dieser Vision zu erfahren, müssen wir sie zuerst durch Gottes Offenbarung erkennen und dann unser Leben mit göttlicher Hilfe danach ausrichten. Das Ergebnis ist ein „Sinneswandel“. Die Vision zu sehen und dank der Mitwirkung des Heiligen Geistes entsprechend zu handeln, kann außerdem unser Tun verändern, das Leben unserer Gemeinden prägen und die Welt um uns herum positiv beeinflussen.

Diese Vision zu sehen und zu teilen, leitet und befähigt uns nicht nur, sondern eint uns auch. Wenn wir die Vision erfassen, die Gott für unsere Kirche hat, und diese Vision weitergeben, indem wir zusammenarbeiten, um sie zu verwirklichen, sind wir auf eine Weise vereint, die zu einem dynamischen, Christus-zentrierten Leben führt, das die Kirche im Neuen Testament kennzeichnete.

Was ist unsere Vision? Sie ist im Wesentlichen für jede christliche Kirche die gleiche. Man findet sie im Missionsauftrag Jesu, der uns auffordert, allen Menschen die gute Nachricht zu verkünden und sich daran zu beteiligen, diejenigen zu Jüngern zu machen, die auf seinen Ruf und seine Einladung reagieren. Christen nennen oft die Ziele, die wir als Kirche haben: Evangelisation, Gemeinschaft, Lobpreis, Haushalterschaft und Jüngerschaft.

Wir sind hier, um andere mit Christus vertraut zu machen, die Gegenwart Christi zu feiern, die Jünger Christi zu lehren, Gottes Gaben auszuüben und die Liebe Christi zu demonstrieren. Das sind unsere Ziele. Das macht eine gesunde Kirche aus!

Gott hat große Dinge für uns geplant, wenn wir uns zusammenschließen, um so zu werden, wie er uns verändern will und wozu er uns berufen hat.


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