Ich erinnere mich an Mama

Von Barbara Dahlgren

Einer meiner alten Lieblingsfilme hieß I Remember Mama (Ich erinnere mich an Mama) aus dem Jahr 1948 über das Leben einer Familie norwegischer Einwanderer, die Anfang der 1900er Jahre tatsächlich in San Francisco gelebt hat. Daraus entstand Ende der 1950er eine Fernsehserie, die auch in Deutschland unter dem Titel Mutter ist die allerbeste bekannt wurde und in 275 Folgen acht Jahre lang gesendet wurde. Schauplatz war stets die Familie und im Mittelpunkt stand Mama, die mit viel gutem Rat, Humor und Herzenswärme die Familie zusammenhielt.

Wenn wir erwachsen geworden sind, haben wir viele Dinge über unsere Mütter vergessen. Meine Mutter starb vor 49 Jahren als ich in meinen Zwanzigern war, aber es ist erstaunlich, an wie Vieles ich mich noch erinnern kann. Da der Muttertag näher rückt, habe ich über meine Mutter und die Lektionen, die ich von ihr lernte, nachgedacht.

Ja, ich erinnere mich an Mama! Tatsächlich erinnere ich mich so gut an sie, dass ich etwas mehr als üblicherweise schreiben werde, um einige meiner Erinnerungen mit Ihnen zu teilen.

Ich erinnere mich an ihre Weisheit: Zentnerweise gefüllt mit dem, was wir im Mittleren Westen „Pferdeverstand“ nannten, war sie eine Kreuzung aus Dr. Laura und König Salomo. „Es gibt immer drei Seiten einer Geschichte: deine, die des anderen und das, was wirklich passiert ist“, sagte sie. Ihre Theorie war, dass wir oft nicht die Absicht haben, die Wahrheit zu verschleiern, aber wir sehen alles aus unserer Perspektive, die verzerrt sein kann.

Ich erinnere mich an ihren Dienst am Nächsten: Sie lebte nach dem Motto: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihnen ebenso.“ Wenn ein Freund, Verwandter oder Nachbar Hilfe brauchte, war Mama da. Sie brachte Essen zu den Hungrigen, pflegte die Kranken und besuchte die Einsamen.

Ich erinnere mich an ihre Einsicht: Sie sagte immer: „Das Leben ist nicht fair, also komm damit zurecht.“ Das ist nicht das, was ein idealistisches Kind hören möchte, aber ich lernte schon in jungen Jahren, dass nicht immer die Person am Ende den Job, die Position oder den ersten Preis bekommt, die am qualifiziertesten oder talentiertesten ist oder die es am meisten verdient hat.

Ich erinnere mich an ihre Schönheit: In ihren jüngeren Tagen sprach so mancher Fremde Mama an, um zu fragen, ob sie ein Fotomodell sei, was sie aber wirklich schön machte, war, wie sie sich aufrichtig um andere kümmerte und ihr gebendes Herz. Zur Weihnachtszeit bekam jeder ein Geschenk, sogar der Junge, der die Zeitung austrug. Es war vielleicht nur eine kleine Schachtel mit Bleistiften, weil wir nicht viel Geld hatten, aber was immer wir hatten, Mama war glücklich, etwas davon mit anderen teilen zu können.

Ich erinnere mich an ihre Ehrlichkeit: „Sage nichts hinter dem Rücken von jemandem, was du ihm nicht ins Gesicht sagen würdest“, sagte sie immer. Das sind Worte, nach denen sie lebte. Ich will damit nicht sagen, dass sie nur nette Dinge über Leute sagte, aber was immer sie sagte, sie war bereit, dazu zu stehen.

Ich erinnere mich an ihre Demut: Wenn sie das Gefühl hatte, dass sie im Unrecht war, entschuldigte sie sich, sogar bei mir, und ich war noch ein Kind.

Ich erinnere mich an ihre harte Arbeit: Ob Sie es glauben oder nicht, meine Eltern mussten beide hart arbeiten, um uns in der Armut durchzubringen, die für uns ganz normal war. Ich war ein „Schlüsselkind“, bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Meine Eltern hatten beide keine formale Ausbildung, also nahmen sie jeden Job an, den sie bekommen konnten. Manchmal hatte meine Mutter einen Vollzeitjob und bügelte nebenbei. Meine Mutter hat sich nie beklagt und ich musste nie auf hausgemachte Mahlzeiten oder das Nötigste im Leben verzichten.

Ja, es ist nun lange her, dass Mama gegangen ist, aber ich erinnere mich sehr gut an sie – immer mit Freude und Dankbarkeit. Ich kann immer noch ihr Gesicht sehen und ihre führende Hand in meinem Leben spüren. Ich denke, Geschichten über geliebte Menschen zu erzählen, die gestorben sind, ehrt sie.

Hier sind weitere Dinge, an die ich mich erinnere.

Ich erinnere mich an ihre Furchtlosigkeit: Als ich vier oder fünf Jahre alt war, wohnten wir in einem Brownstone-Gebäude mit „Zimmern zur Miete“ in St. Louis. Die Frau, die über uns wohnte, hatte einen kleinen Jungen in meinem Alter. Sie blieb bis in die Morgenstunden draußen und ließ ihr Kind allein und unbeaufsichtigt. Einmal ließ sie ihn krank zurück. Damals gab es keine Behörden, die man in einer solchen Situation anrufen konnte, und die Polizei konnte nichts tun, weil es nicht illegal war. Meine Mutter ging nach oben und kümmerte sich um ihn. Sie ließ auch andere wissen, dass sie diesem Flittchen gerne einen Denkzettel verpassen würde, unter anderem. Am nächsten Tag gingen mein Vater, meine Mutter und ich aus. Ich bin mir nicht sicher, wohin wir gehen wollten, aber wir waren alle schick angezogen. Ich weiß das, weil Mama einen Hut trug. Hüte waren zu jener Zeit groß in Mode.

Wir standen im Hausflur, als Fräulein Nachtschwärmerin sich die Treppe hinunterhangelte. „Ich habe gehört, Sie suchen mich“, schnaufte sie.

Mama antwortete: „Ja, das tue ich.“

Es war offensichtlich, dass die Dame auf einen Kampf aus war. Mama versuchte, es ihr auszureden, aber sie wollte nicht hören, also nahm Mama ihren Hut ab, reichte ihn und ihre Handtasche meinem Vater, da die Auseinandersetzung nun in einen Nahkampf überging. Ich konnte sehen, dass die Frau noch bei Bewusstsein war, als sie dort auf dem Boden lag. Mama staubte sich ab, richtete ihr Haar ein wenig auf, setzte ihren Hut wieder auf, nahm ihre Handtasche von Papa und wir gingen für den Tag weg. Als wir zurückkamen, waren die Frau und ihr Sohn ausgezogen.

Ich erinnere mich an ihren Humor: Mama war eine Kreuzung aus Erma Bombeck und Dave Barry, geistreich und witzig. Einmal bei K-Mart stieß Mama versehentlich mit ihrem Einkaufs-wagen gegen den einer anderen Frau. Mama sagte scherzhaft: „Sorry, man braucht fast einen Führerschein, um so ein Ding zu handhaben.“ Die Frau antwortete entrüstet: „Nun, ich brauche keinen!“ Dann wendete die Frau ihren Wagen schnell und krachte voll gegen einen Pfosten. Die Mutter überholte sie einfach, lächelte und erwiderte: „Siehst du, was ich meine!“

Ich erinnere mich an ihre Ermutigungen: „Du kannst es schaffen“, sagte sie immer. „Du kannst sein, was immer du sein willst. Du kannst tun, was immer du tun willst.“ Es mag jetzt nicht wie eine große Sache erscheinen, aber Mama wollte immer einen Schul-Abschluss in Mittlerer Reife oder das Fachabitur nachholen. Ich erinnere mich voller Stolz, als sie ihre Abschlussprüfung bestand. Da war sie Mitte 30.

Ich erinnere mich, als sie zu Christus kam: Mama war nicht mehr ganz so streitlustig, nachdem sie dem Herrn begegnet war. Sie verlor nie ihren Witz, ihre Weisheit oder ihren Humor, aber sie gewann Frieden und tiefere Einsicht. Wenn sie eine Blume ansah, sah sie den Schöpfer. Wenn sie auf Schnee schaute, sah sie ein Wunder. Als sie das neue Leben lebte, erkannte sie den Sinn.

Ich erinnere mich an ihren Tod: Ich war Anfang 20, als Mama starb. Sie ging zu einer Ärztin wegen etwas, das sie für eine Niereninfektion hielt, doch die Ärztin fand heraus, dass sie Gebärmutterkrebs hatte. Zwei Wochen später war Mama tot. Sie war 48. Es ging alles so schnell, und jetzt, da ich älter bin, wird mir klar, wie jung sie war.

Papst Paul VI. sagte: „Jede Mutter ist wie Mose. Sie betritt das gelobte Land nicht. Sie bereitet eine Welt vor, die sie nicht sehen wird.“ Diese Worte wurden im Fall meiner Mutter wahr. Es gibt vieles im Leben ihrer Familie, das sie nicht mehr erleben konnte.

Weil ihr Tod so schnell kam, gibt es vieles, was ich ihr nicht mehr sagen konnte. Gern würde ich ihr sagen: „Mama, ich erinnere mich an dich! Danke, dass du mir so viele wunderbare Dinge gegeben hast, an die ich mich erinnern kann.“

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Lieber Vater, du gibst und du nimmst. Danke, dass du mir meine Mutter gegeben hast. Ich war immer ein wenig traurig, dass sie ihre erstaunlichen Enkelkinder nie sehen konnte, aber ich denke, ein wenig von ihr lebt in ihnen weiter. Geschichten über ihre Großmutter an sie weiterzugeben, hinterlässt ein Vermächtnis. Was für eine weise, wunderbare und bezaubernde Person sie war! All das Lob und die Ehre dafür gebührt dir!


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