Gute und schlechte Christen?

Von Tammy Tkach

Als ich Mitglied in einem Bowlingteam war, habe ich versucht, die Grundregel des friedlichen Miteinanders zu befolgen: Keine Diskussionen über Politik oder Religion. Aber diese Themen kamen zur Sprache, und gelegentlich konnte ich nicht umhin, mich einzumischen. Einer dieser Momente kam, als meine Teamkollegin, die rauchte, trank und fluchte, mir gegenüber äußerte, sie sei keine gute Christin. Ich sagte ihr, dass ein Christ weder gut noch schlecht ist; man ist entweder ein Christ oder eben nicht. Sie sah mich an, als ob ich ausländisch sprechen würde, und das Gespräch war beendet.

Mit der Einteilung in gute und schlechte Christen geht die Vorstellung einher, dass man es nicht in den Himmel schafft, wenn man nicht gut genug ist bzw. nicht genügend gute Taten vollbringt. Diese Vorstellung scheint das christliche Denken zu durchdringen, obwohl das Thema Gnade in den meisten christlichen Lehrbüchern und Schriften ausführlich behandelt wird. Nach dem Neuen Bund gibt es keine Einteilung in gute und schlechte Christen. Ausschlaggebend für die Errettung ist die Gnade; es sind nicht die Werke. Warum finden wir dann in den Köpfen der meisten Menschen die beiden Auffassungen nebeneinander?

Es begann mit einer der ältesten und wirkungsvollsten Strategien Satans: der Vermischung von Wahrheit und Lüge, wodurch der Glaube an das Plus der Gnade so glatt runtergeht wie die Sahne auf dem heißen Schokoladentrunk. Dann kommt noch die erstaunliche Fähigkeit des Menschen hinzu, zwei gegensätzliche Ideen gleichzeitig zu glauben (kognitive Dissonanz), und schon glaubt die ganze Welt, auch Nichtchristen, dass jeder gut genug sein muss, um Gott zu gefallen. Selbst Christen, die aus Epheser 2,8-9 wissen, dass sie aus Gnade gerettet sind, sind oft von diesem Irrtum überzeugt. Er wird sogar Kindern in Form von Nikolausliedern beigebracht, also schon früh in der Kindheit verinnerlicht.

Ein Teil der Verwirrung kann auch entstehen, wenn wir versuchen, die Gnade mit unserer fehlgeleiteten, selbstgerechten Vorstellung von Gerechtigkeit in Einklang zu bringen. Wie kann Gott allen alles vergeben? Für uns muss es eine Art von Strafe oder zumindest Konsequenzen geben. Selbst Christen tun sich schwer mit der vollständigen Vergebung. Vielleicht sind wir dazu gar nicht fähig. Der Heilige Geist kann uns helfen zu vergeben, aber nur Gott kann wirklich vergeben und vergessen.

Aus unserer Sicht macht Gnade keinen Sinn, denn sie scheint Gottes Maßstäbe der Gerechtigkeit zu verletzen. Natürlich tut sie das! Denn für Gott macht sie vollkommen Sinn und ist die einzige Möglichkeit, mit Sünde und Tod umzugehen – vollständige Vergebung, unbegrenzte Gnade und Barmherzigkeit – ohne Vorbehalte. Das bedeutet, dass wir uns nicht darum sorgen müssen, gut genug zu sein. Alles, was wir tun müssen, ist, auf Gottes Güte zu vertrauen.

Literaturempfehlungen – siehe unter Menü Artikel im Titelverzeichnis:
Bedeutet Gnade, Sünde sei zu tolerieren?
Predigen wir „billige Gnade“?
Was bedeutet es, von Jesus angenommen zu werden?


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