Hauskreis-Bibel-Lektion
8. Hoffnung. Ein Anker für die Seele.

Jeder Mensch lebt zeitlebens zwischen zwei Realitäten: Vergangenheit und Zukunft. Auf die Vergangenheit können wir keinen Einfluss mehr nehmen – sie ist vorbei, geschehen, real, nicht zu leugnen, unveränderlich. Doch die Zukunft ... die Zukunft beflügelt unsere Vorstellungen, Möglichkeiten, Träume, löst zugleich aber auch Ängste, Besorgnis und Stress aus. In jedem Fall verbinden wir „Hoffnungen“ mit der Zukunft: Wir hoffen, gesund zu bleiben, zu Reichtum zu gelangen, zu heiraten, in Pension zu gehen, etwas zu bewirken, die Welt kennen zu lernen, eine Schwäche zu überwinden ... „wir leben in der Hoffnung“.

Hoffnung. Hoffnung regt an, macht uns Mut, motiviert uns. Hoffnung auf ein besseres Morgen; Hoffnung, dass alles wieder gut wird; Hoffnung, die Zukunft möge besser sein als die Vergangenheit. Und doch verbinden wir mit dem Wort Hoffnung oft nicht die Vorstellung von Realität, sondern ein Wunschdenken. Wenn wir jemanden sagen hören, er „hoffe“ etwas zu tun, dann hören wir leicht heraus, dass der Betreffende eigentlich nicht weiterweiß, wenig Selbstvertrauen besitzt, nicht sicher sein kann oder sich bereits damit abgefunden hat, das „Erhoffte“ möglicherweise nicht zu erreichen. Eine solche Aussage kann sich wie eine „faule Ausrede“ anhören.

Doch die Christenheit ist unleugbar „voll Hoffnung“: „Wir [haben] unsre Hoffnung auf den lebendigen Gott gesetzt ..., welcher ist der Heiland aller Menschen“, schrieb der Apostel Paulus an Timotheus (1. Tim. 4,10). Die Hoffnung, die Paulus angesprochen hat, ist die Hoffnung auf einen lebendigen Gott als den Heiland aller Menschen, und diese Hoffnung ist keine faule Ausrede, keine „Krücke“, kein passives, händeringendes, hilfloses verzweifeltes Wunschdenken. Diese Hoffnung ist etwas ganz anderes. Sie ermutigt und motiviert uns. Wie heißt es doch im Brief an die Hebräer: „Diese [Hoffnung] haben wir als einen sicheren und festen Anker unsrer Seele“ (Hebr. 6,19).

Die Bibel soll der Menschheit Zeugnis ablegen von dem einen Gott, dem Schöpfer und Erhalter des Universums ... . Sie ist ein Fortsetzungsbericht – der Bericht von der Erlösung der Menschheit. [1]

„Wir haben unsre Hoffnung auf den lebendigen Gott gesetzt, welcher ist der Heiland aller Menschen.“ – 1. Timotheus 4,10 –

An der Himmelspforte
In einem Buch zur individuellen Weiterentwicklung wird der Leser aufgefordert, sich die eigene Beerdigung vorzustellen. Der Gedanke mag morbide anmuten, ist aber nicht ganz abwegig. Der Autor regt den Leser an, sich vorzustellen, was die Leute über ihn, über sein Leben, über seine Persönlichkeit und über sein Lebenswerk wohl sagen würden. Dabei liegt die Auffassung zugrunde, dass wir die Macht haben, über unser Leben zu entscheiden. Und solche Entscheidungen stehen tagtäglich an.

Wir alle machen uns Gedanken über die Zukunft. Und darüber, was jenseits dieses Lebens sein könnte – oder auch nicht. Stellen Sie sich also einen Augenblick lang vor, Sie stünden irgend- wann einmal in der Zukunft nicht neben Ihrem eigenen Grab, sondern unmittelbar vor Gott im Himmel.

„Also“, sagt Gott zu Ihnen, „nun ist es an der Zeit, für dein Leben Rechenschaft zu geben“ (Hebr. 4,13). Oder auch: „Willkommen! Man hat dir ja schon gesagt, dass einmal die Zeit kommt, wo ich einem jeden geben werde nach seinen Werken“ (Röm. 2,6). Oder: „Weißt du was? Es ist wahr: Ein jeder muss offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi, damit jeder seinen Lohn empfange für das, was er getan hat bei Lebzeiten, es sei gut oder böse“ (2. Kor. 5,10). „Einem jeden Menschen ist bestimmt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht“ (Hebr. 9,27).

Ein Unglück kommt selten allein, mag Ihnen durch den Kopf gehen. Dann sagt Gott: „Du stehst vor Gott, dem Richter über alle“ (Hebr. 12,23). Doch indem sein Blick auf Ihnen ruht, ertönt seine Stimme liebevoller und herzlicher als alles, was Sie je gehört haben. „Weißt du, dass ich will, dass alle Menschen gerettet werden und sie das ewige Leben bekommen?“ (1. Tim. 2,4; 2. Petr. 3,9).

Ihnen fällt ein Stein vom Herzen – doch die Erleichterung währt nur einen Augenblick ...

Dann fährt Gott fort: „Aber ...“ Sie stöhnen hörbar auf. „Aber“, so fährt Gott fort, „sie sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den sie bei [mir] haben sollten“ (Röm. 3,23). „Und“, so spricht er, „der Sünde Sold ist der Tod“ (Röm. 6,23).

Sie wissen, dass Sie gesündigt haben. Auch wenn Sie das nicht theologisch definieren können – Sie wissen, dass Ihr Leben nicht gut genug gewesen ist, um die Gnade Gottes zu verdienen. Und so stehen Sie hilflos vor dem Richterthron – als ein Verurteilter, der nicht einmal seine Sünden beichten muss. Gibt es irgendetwas in Ihrem Leben, das Sie vorbringen könnten und Sie hoffen lässt? Irgendeine gute Tat? Ob sie gut genug ist vor Gott? Oder vielleicht eine schlechte Tat, die Sie nicht begangen haben? Ein verzweifelter Gedanke! Vielleicht könnten Sie noch darauf hinweisen, Sie seien zumindest nicht so schlecht gewesen wie ein Ihnen bekannter Mitmensch. Ein Kuhhandel, denn hinter Ihnen steht bestimmt einer in der Warteschlange, der behaupten wird, er sei zumindest nicht so schlecht gewesen wie Sie. Sie wissen sehr wohl, dass Sie nicht gut genug vor Gott waren. Keiner ist gut genug.

Haben Sie noch die Hoffnung, Sie könnten den Folgen Ihres Handelns entkommen?

Die Wahrheit ist, dass keiner von uns aus sich heraus hoffen kann. Wie wir in unseren vorigen Beiträgen erkannt haben, würde jeder Mensch, der jemals gelebt hat, wäre er auf sich gestellt, als ein Verurteilter vor dem Richterthron stehen.

Aber wir haben auch erkannt, dass es eine höhere Realität gibt als die, die wir verdient haben. Und das lässt uns hoffen. Die Himmelspforte ist nicht verschlossen. Gott hat sie weit aufgetan und heißt alle willkommen – auch die Sünder! Er gibt uns eine Hoffnung, die wahrhaftig „ein Anker für die Seele“ ist.

Mehr als Sicherheit
Wir dürfen auf „Erlösung“ hoffen. Darum geht es im Evangelium – um die Hoffnung auf Erlösung. Aber was bedeutet „Erlösung“?

„Die verschiedenen hebräischen und griechischen Wörter, die im Deutschen mit Erlösung wiedergegeben werden, bedeuten ganz allgemein ,Sicherheit‘ und ,Befreiung‘.“ [1] Erlösung beruht somit auf der Vorstellung, gerettet – geborgen und in Sicherheit gebracht – zu werden. Die Botschaft der Bibel besteht nun darin, dass Gott uns errettet: Er befreit uns aus den Grenzen und der Frustration unserer menschlichen Erfahrung und nimmt die Last der Gewissheit ewiger Zurückweisung von uns.

Besonders eines der Gleichnisse Jesu ist dazu angetan, diese Botschaft zu verdeutlichen. Jesus erzählt die Geschichte eines Mannes, der zwei Söhne hatte. Eines Tages bat der jüngere Sohn um sein Erbteil. Jesus gibt dazu keinen Kommentar, aber in dem Kulturkreis, in dem er die Geschichte erzählt, hätte allein diese Bitte die Zuhörer gegen den Sohn aufgebracht. Das Erbe wurde normalerweise erst nach dem Tod des Vaters ausgeteilt. Eigentlich bedeutete die Bitte des Sohnes: „Ich wollte, du wärest tot. Gib mir das Geld, damit ich ohne dich leben kann.“ Doch der Vater willigt ein und der Sohn geht fort. Es dauert nicht lange, bis der Sohn sein Erbteil durch ausschweifende Lebensführung verprasst hat. Er endet in Armut und verdingt sich schließlich als Schweinehirt. Eines Tages besinnt er sich und sagt: „Wie viele Tagelöhner beschäftigt mein Vater, die mehr als genug zum Essen haben, und ich muss hier vor Hunger sterben!“ Er atmet einmal tief durch und fasst den Entschluss, zu seinem Vater zurückzukehren, ihm sein schändliches Verhalten zu beichten und um Arbeit als einer seiner Knechte zu bitten. Er weiß nicht, ob er damit rechnen darf, aufgenommen zu werden, aber zumindest ist es ihm einen Versuch wert. Es ist die letzte Hoffnung, die ihm verblieben ist. Er hat sein Geburtsrecht verloren; die Verbindung zu seiner Familie verloren; seine kurzlebige Unabhängigkeit verloren.

Stellen Sie sich nun einen Augenblick lang vor, Sie wären der Vater. Wie würden Sie reagieren? Sie haben von Ihrem Sohn Ablehnung erfahren, sind in aller Öffentlichkeit gedemütigt worden und fühlen sich ohne Zweifel tief verletzt. Ihre Enttäuschung und Frustration, Ihr Ärger und Ihre Erbitterung sitzen tief in Ihnen. Vielleicht empfinden Sie auch Scham. Gewiss aber Kränkung und Verletzung. Zu Recht.

Stellen Sie sich vor, Sie wären der Sohn. Wie wäre es dann um Ihre Gefühle bestellt? Scham, Verlegenheit, Furcht? Worauf könnten Sie vernünftigerweise hoffen, wenn Sie Ihrem Vater, den Sie abgelehnt haben, vor die Augen treten?

Zweifellos gingen den Zuhörern Gedanken wie diese durch den Kopf, während sie der Geschichte Jesu lauschten. Vor dem Hintergrund ihrer kulturellen Tradition waren ihre Erwartungen, Urteile und Gefühle sogar in besonderem Maß geprägt.

Jesus beendet die Geschichte auf völlig unerwartete Weise: „Als er [der Sohn] aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küsste ihn.“ Auch hier sagt die Geschichte mehr aus, als wir zu ergründen vermögen, zumal sich eiliges Laufen für einen Vater nicht ziemte; völlig undenkbar wäre es gewesen, dass ein Vater, vom Gefühl überwältigt, einem heruntergekommenen Sohn entgegenlief, der seiner Familie öffentlich Schande gebracht und sich selbst zum sozialen Außenseiter gemacht hatte. „Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße.“

An dieser Stelle verwundert die Geschichte noch mehr: „Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße und bringt das gemästete Kalb und schlachtet’s; lasst uns essen und fröhlich sein! Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden“ (Luk. 15,11-24).

Das ist die Hoffnung, die Gott einer Menschheit anbietet, die ihn abgelehnt hat.

Diese Hoffnung kommt nicht nur unerwartet – sie ist unglaublich! Sie ist unvernünftig, unfair, ungerecht, undenkbar. Und doch ist sie wahr.

Wir handeln wie der „verlorene Sohn“, und Gott verhält sich wie der Vater, der seinen Sohn gegen alle Vernunft liebt. Das will uns Jesus mit seinem Gleichnis sagen: Gottes Liebe ist mächtiger und wirklicher als unser Unvermögen, so zu leben, wie wir leben sollten.

In seiner Predigerzeit hat Jesus viele solcher Gleichnisse genannt. Die aus dem Lukas-Evangelium zitierte Stelle ist sogar nur eine von mehreren Geschichten, die Jesus über „Verlorenes“, das letztlich „gefunden“ wird, erzählt. Gleichnisse wie diese hat Jesus häufig eingesetzt, um zu veranschaulichen, was Gott in unserer Welt bewirkt. Jesus hat uns gelehrt, was als „Reich Gottes“ bezeichnet wird. Und dieses Reich lässt uns – jeden Einzelnen von uns – wahrlich hoffen.

Er, der uns ohne unser Zutun geschaffen hat, wird uns nicht ohne unsere Zustimmung retten.
– Augustinus, 354-430 –

„Diese [Hoffnung] haben wir als einen sicheren und festen Anker unsrer Seele“
– Hebräer 6, 19 –

„Dein Reich komme ...“
Das Vaterunser enthält die vertrauten Worte: „Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“ (Matth. 6,10). Jesus sprach diese Worte zu seinen Jüngern im Rahmen der als „Bergpredigt“ bekannten Bibelstelle. Vom „Reich Gottes“ und vom „Himmelreich“ ist in den Evangelien häufig die Rede.

Im Matthäus-Evangelium wird berichtet, dass Jesus sein Predigeramt begonnen hat mit den Worten: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!“ (Matth. 4,17). In ähnlicher Weise kennzeichnet der Evangelist Markus den Zeitpunkt, zu dem Jesus zu predigen begann. Jesus sprach: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen. Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Mark. 1,15). „Ich muss auch den andern Städten das Evangelium predigen vom Reich Gottes; denn dazu bin ich gesandt“, so gibt später der Evangelist Lukas die Worte Jesu wieder (Luk. 4,43). Und im Johannes-Evangelium wird Jesus mit den folgenden Worten zitiert: „Es sei denn, dass jemand von neuem geboren werde, so kann er das Reich Gottes nicht sehen“ (Joh. 3,3). Welches Reich? Wessen Reich? Warum wird dieses Reich so in den Mittelpunkt gestellt? Und welche Bedeutung hat es für uns heutige Menschen?

Dies sind wichtige Fragen – zumal Jesus selbst von diesem Reich verschiedentlich als von einem „Mysterium“ oder „Geheimnis“ gesprochen hat. In einer Reihe von Gleichnissen im Matthäus-Evangelium (Kapitel 13) erzählt Jesus den Jüngern, das Reich Gottes gleiche dem guten Samen, der inmitten von Unkraut heranwächst, oder einem Senfkorn, aus dem ein großer Baum wird, oder einem im Acker verborgenen Schatz oder den guten Fischen und den schlechten Fischen, die in einem Netz gleichermaßen herausgezogen werden. „Euch ist’s gegeben, die Geheimnisse des Himmelreichs zu verstehen“, sagte er zu seinen Jüngern (Matth. 13,11). Wenn Jesus von einem „Mysterium“ sprach, so meinte er damit, das Reich Gottes werde nicht in einer Weise kommen, wie es viele erwarten würden – so wie er nicht als der Messias gekommen war, den die Leute erwartet hatten. Im Gegensatz zu irdischen Königreichen und Machtverhältnissen werde das Reich Gottes den Menschen nicht auferlegt, sondern sei als eine Einladung zu verstehen. Das Mysterium des Himmelreiches bedeute in erster Linie seine Ausbreitung im Lauf der Zeit und keine plötzliche, dramatische Übernahme.

„Das Mysterium wird allen verkündet, obgleich es nur von denen verstanden wird, die glau-en“, schreibt George Eldon Ladd in seinem Klassiker A Theology of the New Testament. „Alle sind aufgerufen zum Glauben; nur wer glaubt, kann wirklich verstehen ... Das Reich Gottes wirkt still und insgeheim unter den Menschen. Es wird den Menschen nicht aufgezwungen; es muss bereitwillig empfangen werden.“ [2]

Niemand erwartete einen König, der in einem Stall geboren wurde. Niemand erwartete einen Messias, der ohne Streitkräfte auftrat. Niemand erwartete einen geistigen Führer, der mit Fischern zusammenarbeitete und sich mit gewöhnlichen Bürgern oder gar mit sozialen Außenseitern umgab. Niemand erwartete einen Erlöser, der einen erniedrigenden Tod sterben sollte. Kurzum: Niemand erwartete, dass Gott selbst kommen und das Werk vollbringen würde.

Wir leben in der Erwartung, nicht in der Erfüllung. Unsere Erfahrungen hier auf Erden weisen auf etwas Größeres hin, das da kommen soll. – Alister McGrath – [4] <

„Wir sehen jetzt durch einen Spiegel ein dunkles Bild; dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich stückweise; dann aber werde ich erkennen, wie ich erkannt bin.“
– 1. Korinther 13, 12 –

... und das Reich kommt
Das Reich Gottes ist also zu verstehen als Gegenwart und Allmacht Gottes im Kosmos – als die Gegenwart und Herrschaft Gottes in unserem Leben. Es bedeutet, dass die ursprünglich vorgesehene Lebensordnung wiederhergestellt wird. Und dies wiederum setzt voraus, dass jeder Einzelne von uns sein Leben Gott, seiner Macht, seiner Herrschaft und seiner Führung unterwirft.

1. Das erste Kommen Jesu brachte das Reich Gottes auf die Erde.
„Die synoptischen Evangelien schildern Jesus von Anfang an als den Übermittler einer einzigen zwingenden, unwiderstehlichen Botschaft, und diese Botschaft lautet, dass das Reich Gottes nahe ist. Es entsteht der Eindruck, dass ... das seit langem verheißene Reich Gottes in Kürze eintreten wird und die Stunde der Entscheidung gekommen ist. Das Reich Gottes wird in zweierlei Weise dargestellt: (1) Es bildet den Kern der Lehren Jesu. (2) Es findet Bestätigung durch sein mächtiges Wirken ... Als dritte Komponente kommt hinzu, dass das Reich Gottes mit der Person Jesu als dem Menschensohn unauflöslich verbunden ist.“ [3]

Jesu Wunder sind ein klarer Beweis für die Gegenwart der Allmacht Gottes. Matthäus schildert, wie Jesus Dämonen austreibt und die Pharisäer (als Gruppe von religiösen Anführern) behaupten, dies vermöchte er nur deshalb zu tun, weil er selbst ein Werkzeug des Satans sei. Jesus fordert seine Widersacher mit seiner Antwort heraus: „Wenn ich aber die bösen Geister durch den Geist Gottes austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen“ (Matth. 12,28). Im nachfolgenden Kapitel nennt Jesus eine Reihe von Gleichnissen, in denen er vom Himmelreich spricht. Seine Botschaft lautet immer wieder: Das Reich Gottes beginnt im Kleinen und wächst inmitten der umgebenden (und häufig feindseligen) Realitäten heran. Mit Jesus ist das Reich Gottes und seine Herrschaft auf Erden angebrochen. Jesus bezeugte Gottes Gegenwart und Allmacht in seinen Lehren und mit seinen Wundern. Sein Sieg über den Tod sagt alles.

Eines Tages stand Jesus in einer Synagoge auf und las aus dem Buch des Propheten Jesaja eine Prophezeiung über das Reich Gottes vor: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, zu verkündigen das Evangelium den Armen; er hat mich gesandt, zu predigen den Gefangenen, dass sie frei sein sollen, und den Blinden, dass sie sehen sollen, und den Zerschlagenen, dass sie frei und ledig sein sollen, zu verkündigen das Gnadenjahr des Herrn“ (Luk. 4,16-19). Und nachdem er die Prophezeiung vorgelesen hatte, setzte er sich wieder und sprach: „Heute ist dieses Wort der Schrift erfüllt vor euren Ohren“ (Vers 21).

2. Das Reich Gottes lebt und wächst im Leben aller Menschen, die ihm ihr Leben unterwerfen.
Das Reich Gottes ist nicht mit Jesus gekommen, um gleich wieder zu verschwinden. Wie die Gleichnisse vom Himmelreich im Matthäus-Evangelium (Kapitel 13), im Markus-Evangelium (Kapitel 4) und im Lukas-Evangelium (Kapitel 13) zeigen, wirkt das Reich Gottes weiter in der Welt, und zwar im Leben der Nachfolger Jesu, die ihr Leben seiner Herrschaft unterwerfen. Wir sind aufgerufen, „das Salz der Erde“ und „das Licht der Welt“ zu sein (Matth. 5,16-21).

Der Apostel Paulus hat häufig vom Reich Gottes gesprochen und erklärt: „... das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem Heiligen Geist. Wer darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig ...“ (Röm. 14,17-18). Und seine christlichen Brüder bezeichnet er als „meine Mitarbeiter am Reich Gottes“ (Kol. 4,11).

Wer die Zerbrochenheit und Sündhaftigkeit seines Lebens einsieht und in die Versöhnung mit Gott einwilligt, die er uns durch den Opfertod Jesu Christi anbietet, dem gibt Gott kein zögerliches „Okay, ich denke, das geht in Ordnung“ zu verstehen. Er sagt auch nicht: „Das ist erst mal eine Probezeit, ich will sehen, wie du dich entwickelst, und wenn du dich gut führst, gebe ich dir vielleicht das Reich.“ Nein! Er nennt uns seine Kinder, er schenkt uns das ewige Leben, er verändert unsere Realität vom Tod zum Leben, von der Finsternis zum Licht. Er gewährt uns Zugang zu seiner Nähe – er nimmt uns in sein Reich auf. „...es hat eurem Vater wohlgefallen, euch das Reich zu geben“, hat Jesus gesagt (Luk. 12,32).

Aus diesem Grund schrieb der Apostel Paulus: „Mit Freuden sagt Dank dem Vater, der euch tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht. Er hat uns errettet von der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes, in dem wir die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden“ (Kol. 1,12-14).

Und Gott ermöglicht uns ein neues Leben. Er schenkt uns eine neue Realität. Wir leben für ihn. Er lebt in uns. Wir leben, um seinen Willen zu tun. („Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“, heißt es im Vaterunser.) Wir erreichen dabei keine Vollkommenheit, denn wir leben auch mit der Realität unserer menschlichen Erfahrung. Aber wir unterliegen nicht länger deren Zwängen. Unsere Beziehung zu Gott ist wiederhergestellt worden; wir erfahren die Realität seiner Gegenwart, Führung und Ermutigung in unserer Auseinandersetzung mit Leid, Sünde, Verwirrung und Ungewissheit des Lebens.

„Wir leben ,zwischen den Zeiten‘ – zwischen dem ersten und dem zweiten Kommen Christi, zwischen dem bereits angebrochenen und dem noch kommenden Reich Gottes, zwischen Gegenwartsrealität und Zukunftsbestimmung.“     – John Stott – [5]

„Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.“     – Johannes 3, 16-17 –

Christen, die Gottes Vergebung und Nähe gefunden haben, sind Gottes Werkzeuge; durch sie bringt Gott sein Reich in die Welt. In diesem Zusammenhang könnte man von der „Kontrastgesellschaft Jesu“ sprechen: Die Christenheit soll „etwas bewirken“ in der Welt. Das Reich Gottes ist das größte Werk aller Zeiten.

3. Das Reich Gottes wird seine volle Verwirklichung mit Jesu Wiederkehr erfahren.
Das Reich Gottes ist in der Heiligen Schrift prophezeit worden. Seine Anfänge in unserer Welt waren mit Jesu erstem Kommen verbunden. Und es wird weiter wachsen im Leben gläubiger Christen. Doch seine volle Verwirklichung und höchste Erfüllung ist eine Verheißung, die Gott für eine zukünftige Zeit vorsieht.

In seinen Gleichnissen über die geheimnisvolle Gegenwart des Reiches Gottes in der Welt hat Jesus immer wieder auf dessen zukünftige Verwirklichung hingewiesen. So spricht er im Matthäus-Evangelium (Kapitel 13) wiederholt vom „Ende der Welt“ und später von seiner Wiederkehr in Herrlichkeit (Matth. 24 und 25). Paulus legte diese Worte der Kirchengemeinde in Korinth wie folgt aus: „Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden. Ein jeder aber in seiner Ordnung: als Erstling Christus; danach, wenn er kommen wird, die, die Christus angehören; danach das Ende, wenn er das Reich Gott, dem Vater, übergeben wird, nachdem er alle Herrschaft und alle Macht und Gewalt vernichtet hat. Denn er muss herrschen, bis Gott ihm , alle Feinde unter seine Füße legt‘. Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod“ (1. Kor. 15,22-26). Diese Vorstellung von einer verherrlichten Zukunft, frei von allem Schmerz und Leid physischen Lebens, ist eine immer wiederkehrende Botschaft der Heiligen Schrift.

Das letzte Buch der Bibel, die „Apokalypse“ oder „Offenbarung des Johannes“, zeichnet ein herrliches Bild von einer Welt des Friedens, die mit Gott eins ist: „...Und [Gott] wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu!“ (Offenb. 21,3-5).

Dies ist die Hoffnung, die der christliche Glaube für uns bereithält. Es ist eine sichere Hoffnung, die auf dem Fundament der Selbstoffenbarung Gottes in Jesus Christus, seinem Sieg über die Macht des Bösen und der Sünde und seiner Überwindung des Todes gründet. Gott hat sich offenbart, auf dass wir die Macht seiner Liebe erkennen. Er macht es uns möglich, in seiner Gegenwart und in der Gewissheit ewigen Friedens und ewiger Geborgenheit zu leben. Darum ist unsere Erlösung durch ihn der Anker für unsere Seele.

„[Gott] hat alles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat er die Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass der Mensch nicht ergründen kann das Werk, das Gott tut, weder Anfang noch Ende.“
– Prediger 3, 11 –

Zum Nachdenken und Diskutieren
  • Denken Sie einen Augenblick über das Wort Hoffnung nach. Was fällt Ihnen dazu ein?
  • Schreiben Sie einige Dinge auf, die Sie sich erhoffen.
  • Wie würden Sie Ihre derzeitige Hoffnung für die Zukunft beschreiben?
  • Denken Sie über das in diesem Beitrag besprochene Gleichnis vom verlorenen Sohn nach. Wie würden Sie reagieren, wenn Sie der Vater in der Geschichte wären? Was halten Sie von der im Gleichnis berichteten Reaktion des Vaters?
  • Wie reagieren Sie auf die Hoffnung, wie sie in den Evangelien geschildert wird? Was spricht Sie an? Was bereitet Ihnen Schwierigkeiten?

Wir haben in diesem Beitrag einige kurze Bibelpassagen genannt. Wir empfehlen Ihnen, sich die Zeit zu nehmen und längere Bibelstellen zu lesen – Sie bekommen auf diese Weise ein besseres Gefühl für die hoffnungsfrohe Botschaft der Bibel.

Geeignete Bibelstellen sind: Psalm 25; Psalm 42; Matthäus 1,18 – 2,12; 4,12 – 5,10; 6,19 – 7, 29; Lukas 15 – 17; Johannes 6; Johannes 14 – 17; Römer 1 – 8; 1. Korinther 15; Epheser 1 – 2.

Wiederum empfehlen wir Ihnen, eine dem modernen Sprachgebrauch angepasste Bibel (zum Beispiel Hoffnung für alle 2015, Schlachter 2000, Luther 2017) für Ihre Lektüre zu wählen.

Dieses Bibelstudium erschien zuerst unter dem Titel Foundation of Faith als Beilage von Living Today, der australischen Zeitschrift der GCI.

Fußnoten:
[1] The Compact Dictionary of Doctrinal Words, Terry L. Miethe (Bethany House, 1988).
[2] Ladd, G. E., A Theology of the New Testament (Revid. Ausgabe) (Eerdmans, 1993), S. 92-93.
[3] Dictionary of Jesus and the Gospels, Green, J. B. et al., Hrsg. (Intervarsity Press, 1992), S. 424.
[4] McGrath, A., The Unknown God – Searching for Spiritual Fulfilment (Lion, 1999), S. 28.
[5] Stott, J., Evangelical Truth (Intervarsity Press, 1999), S. 129.


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