Hauskreis-Bibel-Lektion
14. Beten und Gebet. Freileitung – Leitung für das Leben

Drei Geistliche waren in eine Diskussion vertieft, derweil ein Fernmeldetechniker an einem defekten Telefon im Büro arbeitete. Gesprächsthema war der richtige Ansatz zum Gebet. Einer der Geistlichen sagte, beim Beten käme es seiner Ansicht nach entscheidend darauf an, dass die Hände in die korrekte Position gebracht würden. „Die Hände sollten immer zusammengehalten werden, wobei die Finger gen Himmel zeigen“, sagte er. Ein anderer meinte, das Wichtigste sei, dass der Betende niederkniet, um seine Demut zu bezeugen. Der dritte Geistliche wollte von all dem nichts wissen – für ihn konnte der Betende seine Ergebenheit vor Gott nur dadurch zum Ausdruck bringen, indem er liegend den Boden mit der Stirn berührt.

Der Fernmeldetechniker hatte dem Gespräch zugehört und konnte nicht umhin, seine eigene Meinung beizusteuern. „Ich bin kein Heiliger“, sagte er, „aber als ich einmal hoch oben auf einem Telefonmast das Gleichgewicht verloren hatte und kopfüber 20 Meter über einer befahrenen Fernstraße hing, da, möchte ich meinen, habe ich wohl das beste Gebet aller Zeiten gebetet!“

Nach bestem Wissen und Gewissen
„Die beste und würdigste Haltung der Männer und Frauen ist die, im Gebet vor Gott das Knie zu beugen“, sagt der bekannte christliche Autor John Stott. „Beten bedeutet, dass wir nach dem Bilde Gottes geschaffen sind. Denn wir sind Menschen, von Gott und für Gott geschaffen, da wir Gemeinschaft mit Gott haben. Beten ist daher eine authentische Aktivität als solche, unabhängig von irgendwelchen Vorteilen, die uns das Gebet bringen könnte. Und doch ist das Gebet auch eines der effektivsten aller Gnadenmittel. Wohl kaum hat es je einen christusähnlichen Menschen gegeben, der sich nicht um das Gebet bemüht hat.“ [1]

„Gott hat uns erschaffen und zur Gemeinschaft mit ihm erlöst; das ist es, was ein Gebet ausmacht“, sagt J. I. Packer. „Gott spricht zu uns in der Bibel und durch ihren Inhalt, den uns der Heilige Geist erschließt und in seiner Anwendung auf uns verständlich macht. Dann ist es an uns, mit Gott über ihn und uns und die Menschen in seiner Welt zu sprechen: Unsere Worte sind Antwort auf das, was er gesagt hat. Diese einzigartige Form des Zwiegesprächs währt ein Leben lang.“ [2]

Lehre uns beten – Lukas 11,1 –
Wie die fiktive Geschichte vom Fernmeldetechniker verdeutlicht, kann ein Gebet manchmal auch eine instinktive Reaktion sein – ein aus tiefstem Herzen kommender, aus dringlichem Anlass motivierter Hilferuf nach Gott, selbst wenn das Gebet sonst keinen festen Platz in unserem Leben hat. Andererseits kann ein Gebet auch zu einer verwirrenden und sogar entmutigenden Herausforderung geraten. Manchen Leuten fällt das Beten leicht. Anderen fällt es schwer. Und wiederum gibt es Leute, die das Beten noch gar nicht für sich entdeckt haben.

In dieser Folge wollen wir uns den Fragen zuwenden,
• was Beten bedeutet,
• wie Jesus seine Jünger zu beten gelehrt hat und
• welche Arten von Gebet es gibt.

Bedeutung des Betens
„Die Bibel lehrt uns anhand von Beispielen, dass Beten eine vierfache Aktivität ist“, so Packer, „die Gottes Volk, ein jeder für sich allein (Matth. 6,5-8) und in Gemeinschaft miteinander (Apg. 1,14; 4,24), ausüben soll. Es gilt, Verehrung und Lob zum Ausdruck zu bringen; Sünden reumütig zu bekennen und um Vergebung zu bitten; für empfangene Wohltaten Dank zu sagen; und Bitten und Fürbitten für uns und andere in Worte zu fassen.“ [3]

„Wirkliches Beten ist lebensschaffend und lebensverändernd“, schreibt Richard Foster. „Beten bedeutet Veränderung. Das Gebet ist der zentrale Weg, den Gott gewählt hat, um uns zu verändern.“ [4]

Beten verändert uns dahingehend, dass wir Gott – zu dessen Ebenbild wir erschaffen wurden – ähnlicher werden. Im Gebet können wir mit Gott sprechen und ihm danken, ihn loben, ihn um Hilfe bitten und ihm unsere Liebe und Fürsorge für andere zum Ausdruck bringen.

Das Gebet des Herrn
Die meisten Menschen in der westlichen Welt haben irgendwann einmal das „Vaterunser“ (siehe Kasten) gehört. Das Vaterunser ist die überlieferte Antwort Jesu auf die Bitte der Jünger, sie beten zu lehren. Es steht in Matthäus 6,9-13 und in Lukas 11,2-4. Das Gebet des Herrn besteht aus mehreren Teilen.

Das Vaterunser
Das „Vaterunser“ steht in Matthäus (als Teil der Bergpredigt) und in Lukas im Zusammenhang mit der Bitte der Jünger an Jesus, er möge sie das Beten lehren. Deshalb dient uns das Vaterunser als wichtiger Leitfaden für unsere Gebete.

Unser Vater im Himmel!
Dein Name werde geheiligt.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe
wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unsern Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.

- Matthäus 6,9-13 -

„Unser Vater im Himmel“
Diese Worte richten den Betenden auf Gott aus. Es ist Gott, den wir sprechen möchten: Das Gebet ist eine freie Leitung, die uns mit Gott persönlich verbindet. Das ist ein überwältigender Gedanke: dass wir als endliche, schwache Menschen mit dem Einen kommunizieren können, der uns und alles, was wir um uns herum erblicken und erkennen, erschaffen hat. Aber mehr noch: Durch Ausrichten des Betenden auf Gott stellt das Gebet auch eine vertraute Beziehung her. Wir sollen Gott als „Vater“ ansprechen. Jesus lenkt unser Denken – im Gebet – auf eine Vater-Kind-Beziehung. Natürlich hat er dies in positivem Sinn verstanden.

Leider haben viele Menschen negative Eltern-Kind-Beziehungen erfahren, die dieses fundamentale Prinzip des Betens erschwert. Dennoch ist dies eine machtvolle Wahrheit: Wir sind Gottes Kinder, die er wertschätzt und für die er sich persönlich und leidenschaftlich einsetzt. Die Bibel weist wiederholt auf diese Beziehung hin.

„Weil ihr nun Kinder seid, hat Gott den Geist seines Sohnes gesandt in unsre Herzen, der da ruft: Abba, lieber Vater! So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Kind; wenn aber Kind, dann auch Erbe durch Gott“ (Gal. 4,6-7).

„Abba“ ist ein aramäisches Wort, das im vertrauten, warmen und familiären häuslichen Rahmen benutzt wurde. Es ist die liebevolle Anrede eines Kindes gegenüber seinem Vater. Vergleichbar, wenn auch etwas vereinfacht, ist das englische „Dad“ oder „Papa“ im Deutschen.

„Seht, welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir Gottes Kinder heißen sollen – und wir sind es auch!“ (1. Joh. 3,1).

In seiner Gebetsanleitung erinnert uns Jesus daran, dass wir uns beim Beten an einen liebenden, Anteil nehmenden, mitleidenden, verständnisvollen und unterstützenden Vater wenden.

„Dein Name werde geheiligt“
Eine gesunde Eltern-Kind-Beziehung ist natürlich keine Einbahnstraße. Zu einer vertrauensvollen Beziehung gehört auch Respekt. Und Jesus erinnert uns daran, wenn er sagt, beim Beten sollten wir sowohl unsere persönliche Hochachtung vor Gottes Namen – seinem Ansehen, seiner Identität, seiner Autorität, seiner Natur – als auch den Wunsch, dass auch andere diesen Namen kennen lernen, zum Ausdruck bringen.

„In der modernen Welt dient der Name einer Person lediglich als Etikett zur persönlichen Identifizierung ... Demgegenüber haben biblische Namen ihren Hintergrund in der weit reichenden Tradition, dass Personennamen Informationen vermitteln und die Namensträger in irgendeiner Weise kennzeichnen. Das Alte Testament weist an vielen Stellen darauf hin, wie herrlich Gott seinen Namen Israelbekannt gemacht hat, und in den Psalmen wird Gottes Name immer wieder gelobt (Ps. 8,2; 113,1-3; 145,1-2; 148,5.13). ‚Name‘ bedeutet hier, dass sich Gott durch Wort und Tat offenbart hat.“ [5]

„Der Name des Herrn ist eine feste Burg; der Gerechte läuft dorthin und wird beschirmt“ (Spr. 18, 10).

„Denn wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden“ (Röm. 10,13; Joel 3,5; Apg. 2,21).

„Dein Reich komme“
Jesus sagt, wir sollten im Gebet unser Verlangen nach dem Reich Gottes zum Ausdruck bringen (nach seiner Herrschaft in unserer Welt und in unserem Leben, jetzt und letztendlich in zukünftiger Erfüllung). Diese Anleitung unterstreicht ein zentrales Thema im Wirken und Lehren Jesu: das Reich Gottes als Ausdruck des Verlangens, die Menschheit möge das Reich – Gottes Gegenwart, Herrschaft und Autorität – kennen lernen und erfahren. Dieses Verlangen steht im Zusammenhang mit der nächsten Bitte (dass Gottes Wille geschehe „wie im Himmel so auf Erden“), verweist aber auch auf das Streben nach der zukünftigen Erfüllung der Gotterfahrung.

„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit ...“ (Matth. 6,33). „Wenn ich aber die bösen Geister durch den Geist Gottes austreibe, so ist ja das Reich Gottes zu euch gekommen“ (Matth. 12,28).

„Ein anderes Gleichnis legte er ihnen vor und sprach: Das Himmelreich gleicht einem Senf- korn, das ein Mensch nahm und auf seinen Acker säte; das ist das kleinste unter allen Samenkörnern; wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer als alle Kräuter und wird ein Baum, so dass die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen in seinen Zweigen“ (Matth. 13,31-32).

„Als er aber von den Pharisäern gefragt wurde: Wann kommt das Reich Gottes?, antwortete er ihnen und sprach: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man’s beobachten kann; man wird auch nicht sagen: Siehe, hier ist es! oder: Da ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch“ (Luk. 17,20-21).

„Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden“
„Die dritte Bitte ist eigentlich eine Erweiterung der zweiten: Wo Gottes Herrschaft Anerkennung findet, geschieht Gottes Wille. Dahinter verbirgt sich somit das Eingeständnis, dass Gottes Wille auf Erden eben nicht getan wird und dass es immer ein Spannungsverhältnis zwischen dem göttlichen Willen und der Realität menschlicher Strukturen und Beziehungen geben wird, bis das Reich Gottes herbeigekommen ist.“ [6]

Eine der größten Versuchungen beim Beten kann die Bitte sein, „unser Wille geschehe“. Wir haben aber die klare Anleitung bekommen, dass wir im Gebet Gottes Willen für unser Leben suchen sollen. Beim Beten geht es nicht darum, Gott von unserer Sichtweise des Geschehens zu überzeugen, sondern seine göttliche Perspektive zu erfahren. Der bekannte christliche Autor C. S. Lewis hat einmal dieses Gebet verfasst: „Dein Wille geschehe, durch mich, jetzt!“

„Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr!, in das Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel“ (Matth. 7,21).

In seiner Anfechtung vor der Kreuzigung fasste Jesus seinen Gehorsam vor dem Willen des Vaters in eindrucksvolle Worte: „Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber; doch nicht wie ich will, sondern wie du willst ... so geschehe dein Wille!“ (Matth. 26,39.42).

„... Prüft, was dem Herrn wohlgefällig ist ...werdet nicht unverständig, sondern versteht, was der Wille des Herrn ist“ (Eph. 5,10.17).

Schwerpunktverlagerung
Hier verlagert sich der Schwerpunkt des Gebets von der Verehrung Gottes und der Unterwerfung unter seinen Willen auf das Reich der Menschen. Wir werden daran erinnert, wie wichtig es ist, unsere Prioritäten richtig zu setzen:

„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit ...“ (Matth. 6,33);

„Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt.‘ Dies ist das höchste und größte Gebot. Das andere aber ist dem gleich: ,Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Matth. 22,37-39).

„Beim Übergang von der ersten Hälfte des Gebets zur zweiten sind zwei wichtige Aspekte hervorzuheben.

1. Bemerkenswert ist, dass die ersten zwei/drei Bitten des Gebets Gott, seinen Namen, seine königliche Herrschaft (und seinen Willen) betreffen. Erst in der zweiten Hälfte bezieht sich das Gebet auf menschliche Bedürfnisse. Die Priorität ist eindeutig ...

2. Es erfolgt der Übergang von der zweiten Person Singular (,Dein Name‘, ,Dein Reich‘, ,Dein Wille‘) zur ersten Person Plural (,Unser Brot‘, ,unsere Schuld‘, ,wir‘) ... Der Betende spricht sein Gebet als Mitglied und im Namen der Gemeinschaft aller, die Gottes Hilfe bedürfen. Der Einzelne empfängt nur, was allen zuteilwird.“ [7]

„Unser tägliches Brot gib uns heute“
Diese Bitte bringt zum Ausdruck, dass unser Leben und die Erhaltung unseres Lebens von Gott abhängt. Sie ist Ausdruck unseres Vertrauens, enthält aber auch eine Einschränkung: Gib uns das, was wir brauchen, nicht unbedingt das, was wir haben möchten.

„Falschheit und Lüge lass ferne von mir sein; Armut und Reichtum gib mir nicht; lass mich aber mein Teil Speise dahinnehmen, das du mir beschieden hast“ (Spr. 30,8).

Doch dieses „tägliche Brot“ ist weit mehr als nur die Speise, die unseren Leib nährt. Es trägt der Tatsache Rechnung, dass wir sowohl geistliche als auch physische, logische und emotionale Geschöpfe sind. Jesus hat dieses „Brot“ in seinem Wirken auf Erden verkörpert.

„Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel. Denn Gottes Brot ist das, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben. ...Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten“ (Joh. 6,32-35).

Wir können auf Gott vertrauen, dass er sich unserer Bedürfnisse annimmt, und dies ist eine großartige Quelle der Ermutigung – gleich, ob unsere Bedürfnisse nun physischer, geistlicher oder emotionaler Art sind: „Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus“ (Phil. 4, 6-7).

„Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern“
Vergebung ist keine natürliche Reaktion. Rache schon. Diese Bitte erinnert uns nicht nur daran, dass wir der Vergebung bedürfen und dass Gott sie gewährt, sondern auch daran, dass uns vergeben wird – auch wenn uns dies unverständlich ist. Was können wir, denen vergeben wurde, denn anderes tun, als auch anderen zu vergeben? Vergebung zeugt auf eindrucksvolle Weise von der Gnade und Gegenwart Gottes in unserem Leben und damit in unserer Welt.

Und wir bedürfen der Vergebung nicht nur einmal: Viele Male straucheln und fallen wir auf unserer Glaubensreise. Wie ermutigend ist es zu wissen, dass wir „hinzutreten [können] mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben“ (Hebr. 4,16).

„Und wenn ihr steht und betet, so vergebt, wenn ihr etwas gegen jemanden habt, damit auch euer Vater im Himmel euch vergebe eure Übertretungen“ (Mark. 11,25).

„Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Va-ter auch vergeben. Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben“ (Matth. 6,14-15).

„Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus“ (Eph. 4,32).

„Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen“
Es gehört zur Realität des christlichen Lebens, dass wir unaufhörlich Versuchungen und Anfechtungen ausgesetzt sind. Eines der größten Missverständnisse bezüglich des christlichen Glaubens ist die Auffassung, der Glaube „löse alle unsere Probleme“. Wir werden täglich mit unseren Schwächen und Unzulänglichkeiten konfrontiert. Wir leben in einer gefallenen Welt. Wir müssen physische, emotionale, psychologische und geistliche Herausforderungen ertragen. Wir brauchen Kraft. Wir brauchen Schutz. Wir brauchen Erlösung. Nur Gott kann uns helfen.

„Betet, damit ihr nicht in Anfechtung fallt!“ (Luk. 22,40).

„Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Anschläge des Teufels. ... Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten könnt. So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit, und an den Beinen gestiefelt, bereit, einzutreten für das Evangelium des Friedens. Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen, und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes“ (Eph. 6,11-17).

„Der Herr aber wird mich erlösen von allem Übel und mich retten in sein himmlisches Reich. Ihm sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (2. Tim. 4,18).

„Denn dein ist das Reich ...“
Viele von uns haben eine Version des Vaterunsers gelernt, die mit den Worten schließt: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.“ Dieser Abschluss steht nicht in allen Bibelübersetzungen, weil er als ein in der Gemeindeordnung später eingefügter Zusatz gilt. Offensichtlich hat Jesus diesen Satz in seinem Gebet, das uns als Beispiel dienen soll, nicht gesagt, aber sinngemäß findet sich diese Aussage an anderen Bibelstellen: Sie kleidet unsere Verehrung für den liebenden Gott und unseren Glauben an ihn in machtvolle und schöne Worte.

Das Gebet des Herrn ist ein schlichtes, aber eindrucksvolles Vorbild dafür, wie wir beten sollen – ein Gebet, das uns Jesus selbst gegeben hat.

Verschiedene Arten von Gebet
Natürlich gibt es ganz verschiedenartige Gebete. Die wichtigsten Gebetsarten werden nachstehend erläutert.

Dankgebete
Je mehr wir Gott kennen lernen, desto mehr haben wir ihm zu danken. Für seine Gnade, die er uns zuteilwerden lässt, für die Menschen, die in unserem Leben wichtig sind, für das Leben an sich. Wir dürfen nie aufhören, Gott zu danken.

Lobgebete
Dem Lob Gottes kommt im Gottesdienst zentrale Bedeutung zu. Lob bedeutet „die Verehrung und Anbetung Gottes zur Feier der Existenz und des Wertes Gottes“. [8] Tatsächlich ist das Wort „Lob“ ursprünglich aus dem lateinischen Wort für „Wert“ abgeleitet. „Alles, was Odem hat, lobe den Herrn“ (Ps. 150). Unsere Gebete sind ein wichtiges Ausdrucksmittel, um Gott zu loben und unseren Glauben an seine Herrschaft, Macht, Majestät, Autorität und Güte zu bekennen.

Bittgebete
Das Gebet, das uns Jesus als Vorbild gegeben hat, erinnert uns daran: Wir brauchen täglich Gottes Hilfe. Manchmal sind wir ganz dringend auf Gottes Anteilnahme, Eingreifen oder Ermutigung angewiesen. Gott hört unser verzweifeltes Flehen: „Gott, hilf mir! Denn das Wasser geht mir bis an die Kehle“ , flehte David, als er einmal in großen Nöten war (Ps. 69). Die Psalmen sind voller Hilferufe dieser Art – und bezeugen Gottes Antwort: „Als mir angst war, rief ich den Herrn an und schrie zu meinem Gott. Da erhörte er meine Stimme von seinem Tempel, und mein Schreien kam vor ihn zu seinen Ohren“ (Ps. 18).

Fürbitten
Gebete für andere, die sogenannten Fürbitten, sind nicht nur ein zentraler Bestandteil geistlicher Gemeinschaft (Beten für andere Christen), sondern gehören auch zum Leben als Christ in einer umfassenderen Welt. „So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit. Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, welcher will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1. Tim. 2,1-4). In unseren Gebeten sollten wir immer auch für andere beten. Das Gebet ist keine egoistische „Wunschverbindung“, sondern ein ständiges Zwiegespräch, das uns die Möglichkeit gibt, unsere Liebe zu Gott und unserem Nächsten zu erkunden und zum Ausdruck zu bringen.

Bußgebete
Jesus hat uns gelehrt, um Vergebung zu bitten. Voraussetzung für die Bitte um Vergebung ist Reue und Bußfertigkeit – die Bereitschaft, „umzukehren und den anderen Weg einzuschlagen“. Buße ist mehr als lediglich Bedauern oder Gewissensbisse (oder Furcht vor Bestrafung). Buße bedeutet, dass man aus tiefstem Herzen gewillt ist, nicht mehr zu sündigen und vielmehr Wertvorstellungen, Gedanken und Verhaltensweisen anzunehmen, die Gottes Wille bezeugen und zum Ausdruck bringen.

Buße spielte in Jesu Lehre eine Schlüsselrolle: „Nachdem aber Johannes gefangengesetzt war, kam Jesus nach Galiläa und predigte das Evangelium Gottes und sprach: Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist herbeigekommen.

Tut Buße und glaubt an das Evangelium!“ (Mark. 1,14-15). Auch in der Apostelgeschichte heißt es: „Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung eurer Sünden“ (Apg. 2,38).

Es fällt uns nicht leicht, Gott unsere Buße zum Ausdruck zu bringen. Wir wissen, dass wir seiner Ehre und seinem Willen in unserem Leben nicht Genüge tun. Wir haben uns von ihm abgewendet. Und doch lässt uns sein Wort gewiss sein: Er erwartet von uns, dass wir unsere Buße zum Ausdruck bringen und um seine Vergebung bitten – er ist bereit und gewillt, reinen Tisch zu machen. „... So wird auch Freude im Himmel sein über einen Sünder, der Buße tut, mehr als über neunundneunzig Gerechte, die der Buße nicht bedürfen“ (Luk. 15, 7). „Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben“ (Hebr. 4,16). Jesu Gleichnis vom verlorenen Sohn (Luk. 15) ist ein weiterer deutlicher Hinweis darauf, dass Gott unsere Schwächen genau kennt und uns dennoch mit einer Liebe zugewandt ist, die weit über unsere menschliche Erfahrung hinausreicht.

Gott zuhören ...
„Ein Mann betete und dachte zuerst, Beten sei Reden. Aber er wurde immer ruhiger, bis er schließlich erkannte, das Beten Zuhören ist“, schrieb Sören Kierkegaard. [9]

Beim Beten machen wir vor allem leicht den Fehler, die ganze Zeit selbst zu reden. Und manchmal fallen uns einfach keine Worte ein. Oder sie bringen nicht das zum Ausdruck, was wir sagen wollen. Oder sie drängen sich dazwischen. Wie ermutigend sind da die Worte des Paulus: „Desgleichen hilft auch der Geist unserer Schwachheit auf. Denn wir wissen nicht, was wir beten sollen, wie sich’s gebührt; sondern der Geist selbst vertritt uns mit unaussprechlichem Seufzen. Der aber die Herzen erforscht, der weiß, worauf der Sinn des Geistes gerichtet ist; denn er vertritt die Heiligen, wie es Gott gefällt“ (Röm. 8,26-27).

Über diese Bibelstelle sollten wir nachdenken. Sie will uns sagen, dass Gott unsere Gebete hört – auch die Gebete, für die wir keine Worte finden. Und da wir wissen, dass Gott uns wirklich genau zuhört, müssen auch wir ihm unsere Aufmerksamkeit schenken – wir müssen lernen, dem zuzuhören, was er uns zu sagen hat, in seinem Wort und als Antwort auf unsere Worte an ihn.

Zum Nachdenken und Diskutieren
John Stott regt an, dass wir uns beim Beten an die folgenden fünf Perspektiven halten:
Erstens schauen wir zu Gott auf.
Zweitens blicken wir in unser Inneres.
Drittens schauen wir uns um mit Blick auf andere.
Viertens schauen wir zurück auf die Vergangenheit und erkennen, was Gott getan hat.
Fünftens schauen wir in die Zukunft und bringen unsere Hoffnung und unseren Glauben zum Ausdruck.
  • Denken Sie der Reihe nach über diese Perspektiven nach: Welchen Ausdruck finden sie in Ihren Gebeten?
  • Welche dieser Perspektiven erscheint Ihnen am natürlichsten? Warum?
  • Bei welcher Perspektive müssen Sie sich besonders Mühe geben? Warum?

Wenn Sie darüber nachdenken, was „Gott zuhören“ bedeutet:
  • Können Sie sich erinnern, irgendwann in Ihrem Leben Gottes Wort, seinen Willen oder seine Antworten „gehört“ zu haben? Wie würden Sie solche Erfahrungen beschreiben?
  • Wie können Sie Ihre Fähigkeit verbessern, im Gespräch mit Gott zuzuhören?

Bibelstellen, die Sie nachlesen und überdenken sollten ...
Wir möchten Ihnen empfehlen, in den Psalmen zu lesen. Nicht alle werden Sie oder Ihr Leben spontan ansprechen, aber ganz sicher gibt es den einen oder anderen Psalm, der Ihnen etwas zu sagen hat und hilfreiche Anhaltspunkte für Ihr persönliches Gebet bereithält.

Fußnoten:
[1] Stott, J., Christian Basics (Eerdmans, 1969), S. 118-119.
[2] Packer, J. I., Concise Theology (Tyndale House, 1993), S. 187.
[3] Ebda.
[4] Foster, R., Celebration of Discipline (Hodder & Stoughton, 1989), S. 43.
[5] Packer, Concise Theology, S. 23.
[6] Green, J. B., McKnight, S., Marshall, I. H. (Hrsg.) The Dictionary of Jesus and the Gospels (Intervarsity Press, 1992), S. 621-622.
[7] Ebda., S. 622.
[8] McKim, D. K., Westminster Dictionary of Theological Terms (Westminster John Knox Press, 1996), S. 215.
[9] Foster, S. 49.


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